AC/DC-Tourauftakt in Nürnberg:Aber das Personal wird porös

Lesezeit: 3 min

Das ist so weit bekannt. Was man bei alldem aber so leicht übersieht, ist die schon manische Disziplin, mit der diese Reduktion live aufrechterhalten wird. Konstanz ist ja nichts, das einfach so da ist. Besonders angesichts dieser noch auf hundert Meter spürbaren körperlichen Belastung, die die Inszenierung von Exzess für die Band inzwischen bedeutet. Stumpfe Wiederholung als künstlerisches Prinzip, zumal ja ohne Computer, das ist härtestes, absolute Kontrolle abverlangendes Handwerk. Nicht mehr. Aber Himmel, auch nicht einen Fingerbreit weniger.

Und was bedeutet das jetzt für die Welt?

Die Dä Dä Däs klingen noch wie immer. Und sie fühlen sich sogar fast an wie immer. Der Gitarristenwechsel funktioniert. In einem Wort: Konstanz. Staaten mögen zerfallen, Wirtschaftssysteme zusammenbrechen (tatsächlich halten sich hartnäckig Theorien über die Korrelation von Erfolgen von AC/DC und Rezessionen), die Digitalisierung mag die Welt revolutionieren und umwürfeln - solange der Familienbetrieb Young & Young auf zwei Gitarren mit drei Grundakkorden eines dieser archaischen "Dä Dä Dä"-Riffs rausdonnert, ist doch alles gut. Alles zu ertragen.

Was ja schon fast ein Treppenwitz der Geschichte ist: Die metaebenenloseste Band des Universums ist tatsächlich zur fast metaphysischen Idee eines Musikstils geworden. Und die Akteure auf der Bühne damit beinahe zu Aufführungspersonal.

Und hier droht der Welt nun doch Gefahr. Denn auch alle Disziplin kann nicht ganz wegwischen, dass das Personal porös wird. Es ist schon eine kleine Schrecksekunde, als die Gesichter speziell von Angus Young und Sänger Brian Johnson (die man der Bedeutung für die Show wegen wohl nicht austauschen könnte) auf den Videoleinwänden in HD ausgeleuchtet sind. Nicht, weil sie so alt aussehen wie sie eben sind. Es ist zehrende, ausmergelnde Kraftanstrengung, die da inzwischen aus verquollenen Augen herausblickt. Kantige Bewegungen. Erschöpfte Mimik. Jedes Bending an der Gitarre, jedes hervorgepresste Gekreisch scheint inzwischen wie Raubbau an den Körpern. Das funktioniert alles noch. Wir reden hier von alter, grober Mechanik. Otto-Motor, Dampfmaschine, so was. Die schmiert sich nach den ersten Songs und läuft dann immer runder, was tatsächlich noch eher beeindruckt als Mitleid erregt.

Der Haken

In Summe wirkt die Inszenierung über den gesamten Abend aber doch um mehr als nur Nuancen abgespeckt: Kein Song läuft länger als unbedingt nötig. Extra-Pirouetten und Teile vom früheren Show-Firlefanz sind gestrichen. Riff, Pause. Riff, Gesang. Riff, Gitarrensolo. Riff, Schluss. Vielleicht ist das die finale Reduktion? Man kann das diesmal wohl noch so durchgehen lassen, ja. Dä Dä Dä, alles gut. Dä Dä Dä, nur wie lange noch?

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema