Wirecard:"Wir haben der FT nicht vertraut"

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(Foto: SZ-Grafik/Wirecard)

Ein Fondsmanager berichtet über den Reiz der Wirecard-Aktie auf Profi-Anleger.

Von Jan Willmroth

Selbst altgediente Profis waren betört von dieser Börsenstory. Wirecard, erzählt ein sehr erfahrener Fondsmanager, da seien sein Team und er sich irgendwann sicher gewesen: "Hier ist eine Dax-Aktie mit einem Kurspotenzial von fast 100 Prozent. Das war einmalig." Der Mann hat mehr als zwanzig Jahre Berufserfahrung in der Branche, er hat große Erfolge als Investor hinter sich. Mit der SZ spricht er erstmals offen über Wirecard, allerdings unter der Bedingung, anonym zu bleiben. Denn die Sache ist im Rückblick einfach peinlich.

"Wirecard hatten wir natürlich schon lange im Blick", sagt er, spätestens seit 2008. Damals sei man noch skeptisch gewesen. Später habe man dann immer mal wieder kleinere Aktienpakete gehalten - bis Anfang 2019, als die ersten Texte in der Financial Times erschienen waren, die - wie man nun weiß - das Ende der Firma einläuten sollten. Da hätten sein Team und er entschieden, dass die immer neuen Kursstürze vor allem eins waren: gute Gelegenheiten, um nachzukaufen.

Von den Vorwürfen gefälschter Verträge, fingierter Rechnungen und mutmaßlich manipulierter Bilanzen war aus Sicht des Geldverwalters im Mai kaum noch etwas übrig. Die Wirtschaftsprüfer hatten sich alles angeschaut, die Bafin zwischenzeitlich Leerverkäufe mit der Wirecard-Aktie verboten, ein einmaliger Schritt. Das Amt hatte sogar FT-Journalisten angezeigt. "Da dachten wir uns - naja, da wird ja eine offizielle Stelle das Thema genauer unter die Lupe genommen haben", sagt er.

Und das tat man dann auch selbst. "Wir waren ja nicht naiv und haben wie aus der Hüfte geschossen einfach mal überproportional viel Wirecard gekauft", sagt der Manager. "Wir haben uns eingehend mit allem beschäftigt." Nicht zuletzt in Gesprächen mit Vorstand und Aufsichtsrat von Wirecard - einen solchen Zugang haben Profi-Investoren Privatanlegern voraus. Aber was, wenn Konzern-Manager offenbar so gut lügen, dass es nicht auffällt?

"Wir haben der FT nicht vertraut, das muss man klar sagen", sagt der Fondsmanager heute. "Wir waren der Meinung, dass die FT konzertiert mit Hedgefonds zusammenarbeitet. Und dass auch eventuell dort Whistleblower bezahlt werden." Die Annahme war, Menschen würden für Geld gezielt gefälschte Informationen zu einer Zeitung zu tragen, deren Artikel einen großen Effekt auf den Aktienkurs hat. Heute klingt das wie eine irre Verschwörungstheorie. Damals dachten viele so.

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