UM DEN GEHEIMNISSEN der grammatischen Geschlechter auf die Spur zu kommen, unternahm die Kommunikationsexpertin Sigi Lieb einen lustigen Versuch. Sie erfand ein paar Nonsenswörter und ließ die Probanden dafür ein passendes Genus wählen. Es zeigte sich, dass unter Muttersprachlern oft eine verblüffende Einhelligkeit herrscht: Schnond zum Beispiel wiesen 90 Prozent dem männlichen Geschlecht zu und zehn Prozent dem sächlichen, wohingegen Gralle von 100 Prozent als weiblich eingeschätzt wurde. Corona hat es mit sich gebracht, dass das Virus seinen vorher etwas unsicheren Status als Neutrum festigen konnte, ein Erfolg nebenbei, der niemanden richtig erfreut. Nun haben wir neben Corona auch noch das auf seine Art ebenfalls bemerkenswert virulente Gendern, das den Lesern N. und Dr. W. eine höchst unerquickliche Begegnung mit dem Akkusativ "den Genus" eintrug, und das ausgerechnet in Texten zur geschlechtergerechten Sprache. Es heißt das Genus, und zwar, wie Karl Valentin sagt, "unerbitterlich". Bei Sigi Lieb noch entdeckt: Wörter, die ihr Geschlecht der Tageszeit anpassen, quasi wechselwarme Wörter. Beispiel? Morgens heißt es der Weizen und das Korn, abends das Weizen und der Korn.
DASS ES FÜR "TWEET" kein deutsches Wort gibt (und die Zwitscher-Nachricht, die der Anglizismen-Index des VDS anbietet, kann es ja auch nicht sein), ist für Leser S. kein Grund stillzuhalten: Die bei uns verwendete Verbform "retweetete" wertet er als "skandalöses Verbrechen gegen die deutsche Sprache". Gegenmaßnahmen, wie Herr S. sie fordert, werden kaum zu treffen sein, da es sich bei Twitter um einen in sich geschlossenen Kommunikationskosmos handelt, dessen Jargon im Deutschen keine Entsprechung hat und in dem allfällig erfundene Synonyme keine Aussicht auf Verwendung hätten. Charakteristisch dafür ist die Seite "openthesaurus.de", die kleinlaut meldet, sie finde keine Synonyme für Retweet, und darüber mit ähnlichen Wörtern wie retten, Ragweed und Regent hinwegtröstet.