Sprachlabor:Work in Progress

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Was ist das eigentlich, ein "Erneuerungsprozess"? Ein Leser meint, man solle solch ein Wortungetüm meiden, da die Erneuerung ohnehin schon ein Prozess sei. Hermann Unterstöger weiß Rat. Auch beim Wort "feien".

Von Hermann Unterstöger

"FIEBERHAFTE ERNEUERUNG der Neigung zu Lili", schrieb Goethe im Schema zu "Dichtung und Wahrheit". Wäre er im Vorstand der SPD gewesen, hätte er womöglich den Drang nach einem Erneuerungsprozess seiner Neigung zu Lili in den Raum gestellt, klugerweise ohne die Charakterisierung "fieberhaft", die zum papierraschelnden Erneuerungsprozess nicht recht passen will. Leser C. mahnt uns, "Ungetüme" wie den Erneuerungsprozess zu meiden, da die von der SPD ins Auge gefasste Erneuerung eh schon ein Prozess sei. Das klingt schlüssig und legt an Plausibilität zu, wenn Prozess durch Hergang ersetzt wird. Erneuerungshergang? "Na weeßte", wie der Berliner sagt. Erneuerungsprozess könnte man gelten lassen, wenn es um den Ablauf der Erneuerung geht. Dann wäre ein Titel wie "Erneuerungsprozess vorgestellt" freilich völlig sinnlos, da von der SPD nicht der Fortgang, sondern nur der Plan der Erneuerung präsentiert worden war.

WENN DER VATER zu den Kindern sagt: "Ich gehe aus, vor allem davon, dass ihr brav seid", verwendet er die Stilfigur des Zeugmas. Bei der Wendung auf und davon denkt man zunächst an einen Vogel, anders als Leser H., der den Satz "Der 27-Jährige ... fuhr auf und davon" so zu verstehen vorgab, als hätte der Bursche einen Auffahrunfall mit Fahrerflucht begangen. Muster von H.s launiger Wahrnehmung ist dieses Zeugma: "Er schlug den Weg und die Fensterscheibe ein."

ZU DANKEN ist Leser Dr. K.: Er lobt eine Kollegin dafür, dass sie das Wort feien verwendet hat, dieses "sprachliche Kleinod". Eine Nachschau ergab, dass feien von uns und anderen in zehn Jahren 115-mal gebraucht wurde. Herr K. wird enttäuscht sein, wenn er hört, in welchen Formen außer der richtigen das noch geschah: "Sitzgelegenheiten im Feien", "Jaguar mit feien Ledersitzen", "das Feien-Programm", "Kämpfe im feien Stil" sowie, sehr oft, "die Feien Wähler". Wie man sieht, ist man gerade bei Kleinodien gegen nichts gefeit.Hermann Unterstöger

© SZ vom 28.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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