Sprachlabor:Wie erneuerbar ist Energie eigentlich?

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Gedanken zu Uner­schöpflichem. Und zu satzwertigen Partizipien, die weinhaltig sein können.

Von Hermann Unterstöger

SEINEN SCHUHSOHLEN attestiert unser Leser B., dass sie erneuerbar seien. Damit will er uns in bildhafter Deutlichkeit sagen, dass Energien eben nicht erneuerbar seien, dass es also Unfug sei, von erneuerbaren Energien zu sprechen. Was aber, wenn trotzdem alle Welt davon spricht? Ist das ein Affront gegen den famosen Energieerhaltungssatz, dem zufolge Energie weder erzeugt noch vernichtet werden kann, oder gar dessen Leugnung? Der Käse ist insofern gebissen, als mit erneuerbaren Energien Energiequellen gemeint sind, "die im menschlichen Zeithorizont für nachhaltige Energieversorgung praktisch unerschöpflich zur Verfügung stehen oder sich verhältnismäßig schnell erneuern" (Wikipedia). Kurioserweise wird das Erneuerbare-Energien-Gesetz manchmal als das "Erneuerbare Energien-Gesetz" präsentiert, was zwar falsch ist, aber einen gewissen Glauben an die generelle Erneuerbarkeit von Gesetzen durchschimmern lässt.

DASS BEI TESLA die Bänder "zeitweilig" stillstanden, war zweifach bitter: Einmal natürlich für die Firma, sodann aber auch für Leser G., der hier das Adjektiv zeitweilig fälschlich als Adverb, im Sinn von zeitweise, verwendet sah. Im Kern hat er recht, doch ist die Grenze zwischen zeitweilig und zeitweise fließend. Für den adverbialen Gebrauch von zeitweilig gibt es Beispiele wie dieses aus "Saul und David" von Friedrich Rückert: "Zeitweilig hüt' indessen du der Lade, / wie ich auf diesem Stuhl zeitweilig sitze." Parallel dazu wird zeitweise gattungswidrig gern auch attributiv eingesetzt, man denke nur an die bei Lehrkräften wenig geschätzte "stundenweise Vertretung".

"OHNE KOMMENTAR" reicht unser Leser Dr. W. dieses Fundstück ein: "Gerade mal fünf Jahre tot, schon kommt der Ruhm." Dazu findet sich in der Grammatik unter der Rubrik "Die syntaktische Verwendung der satzwertigen Partizipien" diese ebenfalls höchst wundersame Parallele: "Mit Wein angefüllt, überreiche ich dem Jubilar diesen goldenen Becher."

© SZ vom 13.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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