Sprachlabor:Von Wärtern und Auszubildenden

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(Foto: N/A)

War der Begriff des Lehrlings wirklich so verkehrt? Und wie sieht es mit dem Wärter aus, dessen Wortstamm ja durchaus positiv belegt ist? Warum das erst wieder geht, wenn der Torwart TorwärterIn heißt.

Von Hermann Unterstöger

DER KÄSE IST JA, wie man so sagt, seit Jahr und Tag gebissen, aber ob das Wort Lehrling wirklich so schlimm war, dass es durch das ebenso sperrige wie hässliche Gerundiv Auszubildende/r ersetzt werden musste, darf bis heute angezweifelt werden. Die Frage, wann und warum Wörter ins Abseits geraten, ist dessen ungeachtet brennender denn je, doch ist mit ihr auch die Frage zu verknüpfen, ob Gefühle allein ausreichen, um Wörter in den Bann zu tun. Für eine besser überlegte und sparsamere Verwendung des Wortes Wärter /in (für Aufsichtspersonal) macht sich unser Leser P. stark. Sein Argument: Wärter klinge nach Tierpark, sei also für Institutionen, worin Menschen gepflegt oder beaufsichtigt werden, nicht angebracht; selbst im Zoo spreche man mittlerweile von Tierpflegern. Bei allem Respekt scheint in Herrn P.s Gründen doch unterzugehen, dass Wärter mit warten im Sinn von sich pfleglich einer Person oder Sache annehmen zusammenhängt, eine Verbindung, die dem wohlwollend zugewandten Ohr nicht entgehen muss. In einem freilich ist Herrn P. vorbehaltlos zuzustimmen: Die Kassenwärterin ist erst dann erlaubt, wenn der Torwart zum Torwärter umbenannt worden ist.

OBIGE SENSIBILITÄT ist bei niemandem so ausgeprägt wie bei Leser H.: Sehe er das Wort Kriegskasse , habe er "schon keine Lust mehr weiterzuleben". Nun könnte Herr H. sich ja verschrieben haben. Vielleicht meinte er nur, er wolle nicht mehr weiter lesen, doch ist auch das keine Option, die uns, seinem Blatt, gefallen kann. Das Wort Kriegskasse fand sich in einem Text über den Fußballclub Athletic Bilbao und fiel dort insofern nicht auf, als die ganze Sphäre schließlich eine martialische Sprache pflegt: Angriff, Sturm, Flanke. Von der Kriegskasse hören wir in allen Blättern, meist bezogen auf Unternehmen, die mit viel Geld den Markt aufrollen, um auch das kriegerisch zu sagen. Es gibt Kriegs-Komposita, die sehr friedlich sind: Kriegsbeil, Kriegslist, Kriegspfad, Kriegsgeschrei. Könnte die Kriegskasse nicht längst auch auf dieser Seite stehen?

© SZ vom 14.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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