Sprachlabor:Von Ärzten und Edelmännern

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Wer ist der Organspender, wenn der Satz heißt: "Organe dürfen natürlich nur von denjenigen entnommen werden, die auch einen Spenderausweis haben"? Unser Laborant klärt diesen und andere verzwickte Fälle.

Von Hermann Unterstöger

DER TITEL von Molières Ballettkomödie "Le Bourgeois gentilhomme" wird in der deutschen Übersetzung um ein kleines, aber wichtiges Wort erweitert: "Der Bürger als Edelmann." Das als verbindet die Apposition Edelmann mit ihrem Bezugssubstantiv Bürger. Wird bei diesem Gefüge ungenau gearbeitet, ergeben sich, vom Lapsus abgesehen, kauzige Sinnverschiebungen. Von einer berühmten Höhlenmikrobiologin hieß es bei uns, sie sei schon in jungen Jahren "als Hobby in Höhlen" hineingekrochen. "Seit wann", fragt Leserin R., "können Hobbys kriechen?" Wir können das ebenso wenig beantworten wie Frau R.s Frage, ob sich die Biologin nur als Hobby verkleidet habe oder dazu mutiert sei. Ähnlich irritiert war Leser K., als über Manfred Weber berichtet wurde, die EVP ziehe "mit ihm als Spitzenkandidat in die Europawahl". Ob eine Partei Spitzenkandidat sein könne, wollte er wissen, und was diesfalls mit Weber passiere. Wir wissen es nicht, hoffen aber, dass er wenigsten als Hobby irgendwo unterkriechen kann.

AUS DEM OP: "Organe dürfen natürlich nur von denjenigen entnommen werden, die auch einen Spenderausweis haben." Unser Leser B. entnahm aus diesem Satz, dass Transplantationschirurgen für ihre Arbeit neuerdings wohl einen Spenderausweis benötigen.

DIE KONGRUENZ zwischen Subjekt und Prädikat ist keine heilige Kuh. Nehmen wir den Satz: "Niemand hatte den Dieb gesehen." Wird das singularische Subjekt Niemand um eine mehrteilige Apposition erweitert, kann es vorkommen, dass das Finitum sich unter der Hand angleicht: "Niemand, weder der Chef noch die Angestellten, hatten den Dieb gesehen." Anders verhält es sich bei diesem Satz aus unserer Produktion: "Die Glaubwürdigkeit des Senats und des Gerichts liegen in Trümmern." Leser J. gesteht zu, dass jede der beiden Institutionen ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren habe. Ein Plural im Prädikat könne daraus aber nicht erwachsen.

© SZ vom 24.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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