Sprachlabor:Vom Wunsch nach Synonymen

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Wir sorgen gerne für dies und das, bloß wenn es um etwas Negatives geht, wird daraus die "Verantwortung für". Das ist Lesern zu einfach, wo es doch so viele schöne alternative Verben gibt. Benutzen soll man sie!

Von Hermann Unterstöger

GOOGELN gilt als halbseiden, doch kann man damit zumindest so tun, als greife man ins volle Menschenleben. Geben wir also "weihnachten sorgt für *" ein. Und wofür sorgt Weihnachten? Einerseits für volle Kirchen und gute Laune, andererseits für Staus und Extrapfunde, und mit "andererseits" sind wir auch gleich bei Leser K., der sorgen für in Verbindung mit Negativem für einen "offenbar niemanden störenden Zynismus" hält.

Aus Herrn K.s Brief geht freilich auch hervor, dass die Umgangssprache nicht alles über einen Kamm schert, sondern bei ganz Schlimmem um sorgen für denn doch einen Bogen macht: Von Hitler oder Stalin würde kaum ein Mensch sagen, sie hätten für Massenmord gesorgt; bei solchen Konstellationen greift man aus vergleichsweise sicherem Instinkt zu Verben, die auch K. als Ersatz für sorgen für vorschlägt, also etwa verantwortlich sein oder verursachen. Ansonsten scheint es sorgen für aber zu einem vollwertigen Synonym für die Wörtchen bewirken, hervorrufen oder führen zu gebracht zu haben, wofür der Duden als Grund angibt, dass sorgen, ein an sich von Zuwendung förmlich bebendes Wort, als verblasstes Verb sein eigenes Leben führe. K.s Ermunterung, sich von Fall zu Fall nach Ersatzverben umzusehen, sei gern weitergegeben. Ansonsten muss er sich mit dem Goethe-Zitat trösten, für das er selbst gesorgt hat: "Für Sorgen sorgt das liebe Leben / Und Sorgenbrecher sind die Reben."

Im Wortfeld sorgen steht auch unser Leser Sch., wobei es ihm um eine Verwendung von sorgen geht, von der man dachte, sie habe bei Wagner ihren Höhe- und Endpunkt erreicht: "Deinen Sinn kenn ich wohl, doch sorgt er mich nicht" (Wanderer zu Alberich). In letzter Zeit findet man immer wieder solche Konstruktionen. Robbie Williams deutete gesprächsweise an, dass mit dem Brexit die Tomaten verschwinden könnten. Unser Interviewer: "Sorgt Sie das?" Williams: "Sehr."

Möglicherweise redete ja schon einer der Hirten auf dem Felde so: "Leute, da kommt ein Engel auf uns zu. Sorgt euch das auch?"

© SZ vom 21.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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