Sprachlabor:Stöckelschuhe und Palatschinken

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Warum es manchmal sinnvoll ist, landestypische Ausdrücke nicht mit deutschen Artikeln zu verwenden.

Von Hermann Unterstöger

O DU ITALIA, O APFELSINIA! So sang man, die eigenen Italienischmängel karikierend, einst an den Stammtischen. Nun stellte ein Kollege "das Stiletto" vor, was ihm Leserin B. als Männerfeindlichkeit auslegte, da der Stiletto männlichen Geschlechts sei. Ersteres ist falsch, Letzteres stimmt. Im Italienischen gibt es lo stiletto, doch ist dies nicht der Stöckelschuh, sondern das Stilett, also der Dolch mit der Dreikantklinge. Stöckelschuh hingegen heißt scarpa con il tacco alto, kurz tacco, und wenn die Gerüchte stimmen, trug schon Mona Lisa tacchi, um auf Leonardos Bild schlanker zu wirken. Der Kollege aber sollte künftig giày cao gót, das vietnamesische Wort für Stöckelschuh, verwenden: Da kann er das o der der sagen, und keiner wird ihn rügen.

ERRARE HUMANUM EST. Dass irren menschlich ist, lehrt dieser Spruch, aber er sollte auch nicht überstrapaziert werden. Kleine Lateinschnitzer nehmen die kundigen Leser hin, nicht jedoch Debakel wie "Germania clausus" (statt clausa) oder "pro mors und contra vita (statt morte beziehungsweise vitam): Da melden sie sich, wenn auch bei Weitem nicht so albern wie jene Pauker, die einst "Ovum, ovum, quid lacus ego!" riefen. Das lässt sich mit "Ei, ei, was seh' ich!" übersetzen und wurde, um gut Wetter zu machen, gleißnerisch belacht, jedenfalls von den schwächeren Schülern.

KÖSZÖNÖM AZ E-MAILEDET! Danke für die E-Mail, in der Sie, Leserin J., darlegen, dass "der Palatschinken" keine Schinkensorte ist, sondern eine, wie man in Österreich sagt, "Mööspeis": ein mit Marmelade gefüllter dünner Pfannkuchen. Dahinter stecken Wörter wie das ungarische palacsinta, weshalb "der Palatschinken" - richtig "die Palatschinke" - weiblichen Geschlechts ist und bitte vor dem "t" getrennt wird: Pala-tschinke. In gewisser Weise ist "der Palatschinken" ein entfernter Vetter des "Tol(l)patschs", von dem die meisten erst bei der Rechtschreibreform erfuhren, dass er sich von ungarisch talpas (breitfüßig) herleitet.

© SZ vom 02.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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