Sprachlabor:Raub und ein kleines "L"

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Das Bode-Museum ist um eine 100 Kilogramm schwere Goldmünze leichter - aber wurde sie geraubt oder nicht doch nur gestohlen? Und sind Kopffüßler nicht eigentlich Kopffüßer? Hermann Unterstöger macht sich an die Klärung dieser Fragen.

Von Hermann Unterstöger

ZUGEGEBENERMASSEN geht man im Alltag mit dem Wort Raub eher lässig um, und wenn man gar davon spricht, dass etwas ein Raub der Flammen geworden sei, denkt man nicht an die in § 249 StGB erwähnten Charakteristika des Raubs: Gewalt gegen eine Person, Anwendung von Drohungen, Gefahr für Leib oder Leben. Die Zeitung aber, so Leser v. T., habe sich in ihren Berichten nach den strafrechtlichen Definitionen zu richten, dürfe also den Diebstahl der Goldmünze aus dem Bode-Museum, mag diese gleich 100 Kilo wiegen, nicht als Raub bezeichnen. Was Raub und Diebstahl verbindet, ist der Umstand, dass sie "eine fremde bewegliche Sache" zum Ziel haben; nur beim Landraub ist die fremde Sache unbeweglich.

EIN RARES PARTIZIP II fand Leser S. im Sportteil. Dort hieß es über den VfL Wolfsburg, 40 Punkte seien "die Marke, bei der ein Abstieg als abgewunden gilt". Wer sich an die Konjugationsregeln erinnert, wird wissen, dass das Partizip II von abwenden entweder abgewendet oder abgewandt lautet, wohingegen abgewunden auf ein Verb abwinden schließen lässt, das Herr S. nicht kennt. Das Wort gibt es trotzdem, als Pendant zu aufwinden: ein Seil auf- oder abwinden. In einem Fastnachtsspiel Hans Sachsens ist die Rede von einem Mann, der einer Frau allerlei vorgemacht und "vil Zwirns mit ir abgewunden" hat.

DASS DIE CEPHALOPODEN bei uns als Kopffüßler bezeichnet wurden, hält Leser Dr. G. für einen Schönheitsfehler und für nicht dudenkonform. Ihm zufolge müsse es Kopffüßer heißen, wohingegen dem Tausendfüßler seiner winzigen Beinchen wegen das verniedlichende "l" zustehe. Dem ist zu entgegnen, dass der Duden Tausendfüßer und -füßler gleichberechtigt führt; ein altes Wörterbuch stellt für "ein vierfüßiges Ding oder Thier" die Termini Vierfuß, -füßer und -füßler zur Verfügung. Es gibt hier also eine gewisse Freiheit, sieht man einmal von den Barfüßer-Mönchen ab: "Barfüßler" - nein, das geht nicht.

© SZ vom 15.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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