Sprachlabor:Qua Gedankengut

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Warum das Suffix ,,gut" auch durchaus Schlechtes bedeuten kann und warum ein Genetiv oft eleganter wirkt als manch intelligent klingende Kurzform. Über Umgangsschwierigkeiten und die Enthemmung von Instinkten.

Von Hermann Unterstöger

EINEN SELTSAMEN VERDACHT äußert Leser H.: Die SZ bezeichne "den Nationalsozialismus regelmäßig als ein Gedankengut, also als etwas Ehrwürdiges". Da hat der Mann einiges gründlich missverstanden. Erstens bezeichnen wir nie den Nationalsozialismus als Gedankengut; in der Regel sprechen wir von nationalsozialistischem, auch "braunem" Gedankengut. Zweitens aber, um zum Kern zu kommen, muss die Wortkonstituente -gut absolut nichts mit Ehrwürdigem oder sittlich Gutem zu tun haben. Das Suffix kann natürlich auf die Summe positiver Dinge verweisen, beispielsweise in dem Wort Liedgut, das freilich seine dunkle Rückseite offenbart, sobald vom Liedgut der Waffen-SS die Rede ist. Ähnlich verhält es sich mit dem Gedankengut, das so edel oder nichtswürdig ist wie die, in deren Köpfen es sich ansammelt. Der Vollständigkeit halber sei daran erinnert, dass das Suffix -gut auch völlig neutral aufgefasst werden kann: Das Saatgut ist nichts anderes als die Menge dessen, was im Märzen der Bauer auf seine Felder ausbringt. Dreifach positiv ist nur das Diebesgut: zunächst für den Dieb, wenn er es sicher zu haben glaubt, dann für den Polizisten, der es ihm wieder abnimmt, und schließlich für den Eigentümer, wenn es ihm zurückgegeben wird.

UNTER DEN PRÄPOSITIONEN gibt es keine seltsamere als qua. Wird sie, wie bei uns geschehen, zudem mit dem Genitiv ("qua seines Amtes") verbunden, zieht es Leser A. "endgültig die Schuhe aus". Bei aller Sympathie für diese Reaktion sei Herrn A. indes geraten, die Schuhe wieder anzuziehen, da in Fällen wie dem genannten auch der Genitiv gestattet ist. In einem Punkt hat er freilich recht: kraft seines Amtes ist allemal besser.

DIE ENTHEMMUNG niedrigster Instinkte werde, so unsere Diagnose, "verstärkt von den Abermillionen Smartphones, die inzwischen jeder zücken kann". Unser Leser Dr. H. ist auch gegen so eine Enthemmung, wäre aber schon froh, wenn er mit einem Smartphone einigermaßen klarkäme.

© SZ vom 21.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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