Sprachlabor:Fünf Fragezeichen

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Wünschenroute oder Wünschelrute? Was ist denn jetzt gemeint? Das fragte sich ein Leser. Dazu sandte er einen Brief mit gleich mehreren Fragezeichen. Hermann Unterstöger und seine Untersuchungen im Sprachlabor.

Von Hermann Unterstöger

"GRÖSSERE SPRACHLICHE SORGFALT" fordert Leser Dr. B. ein. Er bezieht sich auf den Untertitel: "Weil der ,Führer' es nicht wollte, hat der Judenmord nie stattgefunden, sagt eine fast Neunzigjährige." Herr B. hält diese Fassung für reißerisch; seiner Ansicht nach hätte man, da es sich um eine indirekte Rede handle, den Konjunktiv verwenden müssen: nicht gewollt habe und habe nie stattgefunden. Die Sache hat zwei Aspekte. Einerseits ist der Konjunktiv der Normalmodus der indirekten Rede und wird als solcher auch unangefochten, wiewohl oft sehr unsicher, verwendet. Andererseits kann unter bestimmten Bedingungen die Modustransformation unterbleiben. Die in Titeln und Untertiteln erwünschte Prägnanz könnte so eine Bedingung sein. Dann darf laut Dudengrammatik die geschriebene Sprache einem in der gesprochenen Sprache herrschenden Ökonomieprinzip folgen, zumal wenn, wie hier, der kommunikative Effekt nicht beeinträchtigt wird.

DIE WÜNSCHELRUTE, ein Gerät aus der Sphäre, in der auch Wünschelwurz, Wünschelhütlein und Wünschelbock wesen, trat bei uns als "Wünschenroute" auf. Dazu sandte Leser R. einen Brief mit fünf Fragezeichen, deren erstes wir so deuten: Wo endet die Wünschenroute? Antwort: Wahrscheinlich in Wünschen-Moos, dem kleinsten Ortsteil von Grebenhain im Vogelsbergkreis. Von Stapel, wo Herr R. wohnt, sind das 553 Kilometer.

QUANTENSPRUNG UND EPIZENTRUM werden so oft falsch gebraucht, dass sich kaum noch wer darüber aufregt. Auf eine ähnliche Fehlverwendung stieß nun Leser Ch., der das Adjektiv dehydriert der Chemie vorbehalten wissen will. So sehr dieser Wille aus fachlicher Sicht zu loben ist, so wenig wird ihm ein Erfolg beschieden sein. Längst hat sich die Umgangssprache des Wortes bemächtigt und benützt es in dem Sinn, dass Menschen ihrem Körper weniger Flüssigkeit zuführen, als dieser verliert. Das führt, um es fachlich korrekt zu sagen, zur Exsikkose.Hermann Unterstöger

© SZ vom 18.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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