Sprachlabor:Empfehlungen und Ausnahmen

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Nicht alle Konjunktive mit seltsam klingenden Umlauten sind falsch. Genausowenig wie die Mehrzahl manch abstrakter Nomen in Fachartikeln. Manchmal ist der Gebrauch auch eine Frage des Stils.

Von Hermann Unterstöger

"WOHL ABER EMPFÖHLE es sich", heißt es in einer Empfehlung von 1877, den Unterricht mit frommen Liedern zu beginnen. Wir bringen dies nicht als Ratschlag für die Lehrkräfte, sondern als Neujahrsgabe an unseren Leser B., der einem Kollegen unterstellte, dieser hätte die Verbform "empföhle" erfunden. Hat er aber nicht, so erfinderisch er sonst ist. Um es mit der Grammatik zu sagen: empfehlen gehört zu den Verben, die den Umlaut im Konjunktiv II aus dem Vokal des zweiten Partizips gewinnen: empfohlen, empföhle.

MIT GRAUSEN begegnet Leser R. immer wieder dem Plural "Bedarfe", der in seinen Augen dem Grundsatz widerspricht, wonach Abstrakta keinen Plural bilden, es sei denn, ein Dichter wie Rilke macht sich ans Werk und schildert einen Mönch mit einem "Gesicht voll kranker Blaus". Man kann sich darauf einigen, dass die Bedarfe in der Alltagsprosa nichts verloren haben, in Texten fachlicher Natur aber so angebracht sein können wie beispielsweise die Verkehre, die Verbräuche oder die Sände. Apropos Sände: Müsste es nicht auch die Bedärfe heißen?

LABOUR-CHEF KEIR STARMER wurde mit der Frage "Was um aller Welt ist los?" (im Original: "What on earth is going on?") zitiert, was unseren Leser R., einen Freund der unverrutschten Redewendungen, irritierte. In der Tat muss man sich im Deutschen zwischen "Was um alle Welt" und "Was in aller Welt" entscheiden. Im Zweifel sollte man auf "Was zum Teufel ist los?" ausweichen.

AUS DEM VORJAHR ragen noch jene silberfarbenen Stelen herüber, die da und dort auftauchten und schnell wieder verschwanden. Die Presse führte sie als "Monolithen", oft sogar als "Metall-Monolithen". Für unsere Leser P. und G. war das Unsinn, da im Monolithen das griechische Wort líthos (Stein) steckt, sie also aus keinem anderen Material zu sein haben. Die Aufweichung rührt wohl daher, dass sich im Adjektiv monolithisch (eine Einheit bildend) das Stoffliche fast verflüchtigt hat.

© SZ vom 02.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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