Sprachlabor:Eine komplizierte Angelegenheit

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Geschlechtergerechte Sprache, die nicht nur Frauen und Männer einschließt, ist eine Herausforderung, die viele Lösungsversuche hervorbringt.

Von Hermann Unterstöger

ALS WÄRE DIE SACHE selbst nicht schon kompliziert genug, greift die Besinnung auf unterschiedliche Geschlechtsidentitäten längst auch auf die Grammatik über. Während sich queer, das der Duden noch als indeklinables Adjektiv führt, in der Praxis ( queeres Leben, queerer Soldat, queere Szene etc.) den Weg zum Lehnwort bahnt, steht die Bezeichnung trans noch unentschieden im Sprachgefüge. Trans meint Menschen, die sich, wie es die Antidiskriminierungsstelle des Bundes formuliert, "nicht beziehungsweise nicht nur mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren". Auch hier wird wohl die Schreibpraxis darüber entscheiden, wie mit dem Wort künftig zu verfahren ist. Zur Wahl stehen Formen wie Transmann, trans Mann, Trans-Mann, Trans*-Mann oder trans* Mann. Bei uns wurde in einer Rezension die Variante trans Mann gewählt, mit der Begründung, dass der Mann, um den es ging, sich durch das Präfixoid trans- in Transmann als "eine Art Subkategorie" von Mann definiert sähe. Sollte trans sich als indeklinables Adjektiv behaupten können, wird man es wohl unter die Besonderheiten - gut Ding oder die lila Latzhose - einzureihen haben.

EINE VERGLEICHSWEISE HEITERE, zudem von den besten Absichten beflügelte Gendersache ist die Bekanntgabe der "ersten weiblichen" Polizistin, Rektorin, Königin und so fort. Bei uns traf es nun Madeleine Albright als "erste weibliche Außenministerin der USA", die Leser H. und Leserin Cz. mit der gebotenen Skepsis begrüßten. Das Problem liegt zutage: Sagt man, Albright sei "der erste weibliche Außenminister" gewesen, fängt man sich die Kritik ein, sie sei doch kein Minister gewesen. Sagt man dagegen, sie sei "die erste Außenminister*in" gewesen, wären nach der Absicht dieser Wortform auch ihre gut 60 männlichen Vorgänger mitgemeint - und dann stimmt die Chose erst recht nicht mehr. Am besten belässt man's dabei, dass Albright, hierin Golda Meir oder Margaret Thatcher vergleichbar, der einzige Mann im Kabinett war.

© SZ vom 05.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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