Sprachlabor:Eine Brücke für den Esel

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Ein Paar kann nicht "scheinbar gebumst" haben. "Anscheinend", hätte der Berliner Polizeisprecher sagen müssen. Ein Uralt-Fehler, der wohl nie vergeht. Eselsbrücke zwecklos.

Von Hermann Unterstöger

ESELSBRÜCKEN helfen ganz gut über sprachliche Klippen: "Gelitten unter Pontius Pilatus, aber: geläutet an der Tür" oder "Nimm diese Regel mit ins Bett: Nach ei, au, eu steht nie tz!" Für einen der am häufigsten auftretenden Fehler, nämlich die Verwechslung von scheinbar und anscheinend, gibt es keinen vergleichbar schlüssigen Merkvers. Im Netz stößt man auf die Eselsbrücke "Das scheinbar hör ich weinend, du meinst gewiss anscheinend", die zwar deutlich warnt, aber wenig zum Kern des Fehlers sagt. Die Verwechslung ist uralt, und es steht zu vermuten, dass sie uns überlebt. Dennoch hier wieder einmal kurz das Wesentliche: Das Adverb anscheinend drückt aus, dass ein Sachverhalt vermutet wird; scheinbar hingegen bedeutet, dass etwas ganz anders ist, als es zu sein scheint. Als es kürzlich bei der Berliner Polizei zu "unangemessenem Verhalten" kam, zitierten die Blätter einmütig deren Pressesprecher: "Dabei wurde getrunken, getanzt, gepinkelt und, ja, scheinbar auch gebumst." Leser Dr. N. stellt die berechtigte Frage, wie man sich dieses scheinbare Bumsen vorzustellen habe. Der Polizeisprecher hat einen Abstecher zu obiger Eselsbrücke anscheinend so nötig wie wir alle.

EINER UNTER VIELEN: Das ist weiß der Himmel kein Lob. Will man die Formulierung aber so umdrehen, dass ein Lob daraus wird, kann das ins Auge gehen. Unser Leser K. hat über einen einschlägigen Fall lange nachgedacht. Es ging um die Offenheit, die der Tennisspieler Novak Djokovic bei der Selbstanalyse an den Tag legte. Unser Autor fand das lobenswert, und wenn wir seine Intention richtig deuten, wollte er sagen, dass Djokovic einer der wenigen sei, die so schonungslos mit sich selber umgehen. Daraus wurde: "Da ist er keiner unter vielen" - eine Negation wie keine unter den vielen möglichen.

GOOGLE UND DIE LKW-BRANCHE "erhielten" Bußgelder in Milliardenhöhe. "Wieso", fragt Leser Sch., "bekommen Konzerne für Vergehen auch noch Geld?"

© SZ vom 05.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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