Sprachlabor:Dunkelziffer

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Warum der Konjunktiv praktisch nie falsch sein kann und wieso es auch in der Pandemie eigentlich Dunkelzahl heißen müsste.

Von Hermann Unterstöger

KEIN BEREICH der Grammatik, sagt Peter Eisenberg in seinem "Grundriss der deutschen Grammatik", sei "sprachpflegerischen Ambitionen" so ausgesetzt wie der Konjunktiv. Unserem Leser H. sind diese Ambitionen nicht fremd: Wann immer er in der Zeitung eine indirekte Rede ohne den in seinen Augen verbindlichen Konjunktiv findet, liest er den Satz seiner Frau beim Frühstück vor. Kürzlich war es dieser: "Der Vorwurf, dass ... finanziert hat, wirkt an den Haaren herbeigezogen." Herrn H. zufolge muss es "habe" heißen. Die Duden-Grammatik sieht die Sache etwas lockerer: Die Modus-Transformation könne unterbleiben, "wenn der kommunikative Effekt ... nicht beeinträchtigt wird". Wie gut auf den Konjunktiv verzichtet werden kann, zeigt sich, wenn man den kritisierten Satz ändert: "Der Vorwurf, dass ... finanziert hat, war damit erwiesen." Der Konjunktiv ist aber, so der Duden, "niemals falsch", und wenn er darüber hinaus den Frühstücksfrieden im Hause H. fördert, kommt man an ihm fast nicht mehr vorbei.

JENS SPAHN, sagt Leser B., spränge vor Freude an die Decke, wenn die "Dunkelziffer" der nicht gemeldeten Corona-Fälle höchstens 9 wäre. Warum? Weil es nur zehn Ziffern gibt (von 0 bis 9), aber eine ungleich höhere Zahl an unerkannt Erkrankten. Herr B. will nun wissen, wer als Erster diesem Irrtum erlegen sei. Dank Wikipedia kann die Frage dahingehend beantwortet werden, dass der japanische Staatsanwalt Shigema Oba in seiner Dissertation "Unverbesserliche Verbrecher und ihre Behandlung" (Berlin 1908) dark number mit Dunkelziffer übersetzte und so den Begriff in die deutsche Kriminalstatistik einführte. Manche wissen das, doch die Dunkelzahl derer, die es nicht wissen, ist um ein Vielfaches höher.

WAS NOCH MEHR LEUTE nicht wissen: das Genus von Stupa. Bei uns wurde der Stupa, ein buddhistisches Bauwerk, als weiblich geführt, was Leser K. als lässliche Sünde registriert. Man kann sich das am Buddha selbst merken: der, nicht die Buddha.

© SZ vom 12.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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