Sprachlabor:Drängen, dringen und die Impfdose

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Wer sich mit einer Sache durchsetzen möchte, sollte es mit der Grammatik genau nehmen. Und: wie Umgangssprache den Maulfaulen hilft, ihren Sprechrhythmus zu finden.

Von Hermann Unterstöger

SO EIN ZEUGNIS hat man uns schon lange nicht mehr ausgestellt. "Vollständige Ignoranz gegenüber unserer Sprache", schreibt Leser Dr. T., und: "Es ist wahrlich erbärmlich." Anlass seines Grolls ist die Titelzeile "Laschet dringt auf schnelle Entscheidung über Kanzlerkandidatur", in der er eine "fehlerhafte Konjugation des Verbs drängen " konstatiert. Bei aller Bereitschaft zu Reue und Buße ist indes darauf hinzuweisen, dass die Überschrift nicht mit drängen arbeitete, sondern mit dem Verb dringen ( drang, gedrungen), das, mag es gleich eine leichte Patina aufweisen, noch lange nicht zum alten Eisen oder gar Schrott gehört. Der Duden führt das Wort in der Bedeutung von "etwas (unnachgiebig) fordern" und belegt das mit "Nun drang Ulrich aber auf Erklärung dieser Veränderungen" aus Musils "Mann ohne Eigenschaften"; das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache (dwds.de) bietet es als Synonym für "auf etwas bestehen, etwas verlangen". In der Presse ist dringen auf gang und gäbe, wobei das Drängende, das Herr T. bei uns vermisste, ja immer untergründig mitläuft.

GEHÖRT hat es Herr Sch. schon oft, nun will er es nicht auch noch in der SZ lesen: das umgangssprachliche von daher , das ihm so missfällt wie in etwa und das in seinen Augen nur noch durch von dem her übertroffen wird. Alle drei Formulierungen kommen bei uns vor, wiewohl sehr oft in Zitaten, etwa wenn ein Jugendrichter, der viel mit Alkoholmissbrauch zu tun hat, sagt, er sei "von dem her" froh, dass die Wiesn ausfällt. Bastian Sick vermutet, von daher sei von dem her so beliebt, dass mit einem Dreisilber jegliche Rede leichter anhebe. Wiglaf Droste hingegen wies die Phrase den "Denk- und Maulfaulen" zu und forderte, "dass von deutschem Boden kein von daher mehr ausgehen soll". Dem ist beizupflichten.

DIE WÄGEN? Unsere Leserin Dr. W. will, wiewohl in Süddeutschland geboren, den süddeutschen Plural Wägen in überregionalen Blättern nicht lesen. Das ist schwer zu garantieren, da Regionalismen erlaubt sein sollten, solang sie keine Schrullen sind. Den Plural Wägen hat Adelung auf dem Gewissen. Er sagte, Wagen sei "in den edlern", Wägen "in den gemeinern Sprecharten am üblichsten". Gemeinere Sprechart? Geht's noch?

IMPFDOSE? Leser H. mahnt, bei weniger als zwei Impfdosen den korrekten Singular Impfdosis zu verwenden. (Und dass uns jetzt bloß keiner mit dem Joke kommt, man sage doch auch nicht Steckdosis!

© SZ vom 30.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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