Sprachlabor:Die Tücken der Sprachökonomie

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Der Drang, möglichst schnell Dinge zu sagen, vielleicht sogar mit wenigen Worten, kann beim Gegenüber durchaus für Verwirrung sorgen.

Von Hermann Unterstöger

AN DER KÖRPERGRÖSSE von Emily Haber besteht keinerlei öffentliches Interesse. Trotzdem muss das Thema kurz gestreift werden, weil Leser O. ganz bang ums Herz wurde, als er erfuhr, dass die Botschafterin - sie vertritt die Bundesrepublik in den USA - "verlängert" werden solle. Wir haben es hier mit einer Formulierung zu tun, hinter der die Sprachökonomie stecken dürfte, also der Drang, mit möglichst geringem Aufwand möglichst große kommunikative Effekte zu erzielen. Klarer- und erfreulicherweise wird nicht Frau Haber verlängert, sondern ihre Dienstzeit. Die Ersparnis dieser paar Wörter mag im bürokratischen Hin und Her angehen, nicht aber bei ambitionierteren Texten. Da sollte man, wie unsere Leserin B. ergänzend findet, auch nicht "Der Referent ist angefragt" schreiben, wenn man sagen will, dass angefragt wurde, ob der Referent verfügbar ist.

WIE MAN EIN HAUPT phallisch erheben könne, fragt unser Leser Dr. W. im Hinblick auf "das phallisch erhobene Haupt Pfarrer Ensslins am Grab seiner Tochter". Der dazu einvernommene Autor erklärt, dass er das auch nicht wisse, dass auf den Betrachter der Kopf des Pfarrers aber jedenfalls "phallisch erhoben" gewirkt habe. Das wollen wir mal so stehen lassen.

AN SYNONYMEN für Kleidung hat es keinen Mangel: Gewand, Kluft, Sachen, Klamotten. Nun tauchte bei uns das Wort "Anziehsachen" auf, das Leser T. Gänsehaut machte. Um der ausgleichenden Gerechtigkeit willen plädiert er für die Einführung des Komplementärbegriffs "Ausziehsachen", damit Morgen und Abend einander sinnreich zuwinken. Dagegen ist nichts einzuwenden, doch muss daran erinnert werden, dass es im alten Österreich Ausziehsachen gab, die mit Kleidung nichts zu tun hatten, sondern mit gerichtlichen Auseinandersetzungen bei Wohnungskündigungen. Näheres in Joseph Wesselys Handbuch der westgalizischen Gerichtsordnung von 1834.

© SZ vom 30.04.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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