Sprachlabor:Dichten und köpfeln

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(Foto: N/A)

Von Schillers direkten Schilderungen einer Schreckensherrschaft, von Dauerwitzen und Floskeln in Todesanzeigen, sowie vom Begriff des Brauchtums und warum dieser keinen Plural erträgt.

Von Hermann Unterstöger

DAS ABTRENNEN des Kopfes kommt, so abscheulich es ist, immer wieder vor. Wie davon reden? Als Schiller die Schreckensherrschaft schilderte, die Herzog Alba in den Niederlanden aufrichtete, sagte er es so: "Hängen, Köpfen, Vierteilen, Verbrennen waren die (...) Verrichtungen des Tages." Die Tatsache, dass Schiller köpfen statt enthaupten schrieb, ist nicht so zu deuten, als sei ihm die Würde der Opfer nebensächlich gewesen. Für uns Heutige fordert Leser D., dass wir, wenn schon das Abscheuliche benannt werden muss, zu dem quasi achtsameren Verbum enthaupten greifen. Dessen Synonym köpfen sollte dem Öffnen des Frühstückseis vorbehalten bleiben, allenfalls noch dem Kopfballspiel beim Fußball, obwohl es hier eine starke Fangruppe gibt, die köpfeln für die bessere Wortwahl halten.

EIN DAUERWITZ lebt von der Präposition mit. Er geht folgendermaßen: "Unser Chef ist gestorben." - "Ja, und ich frage mich, wer mit ihm gestorben ist." - "Wieso mit ihm?" - "Nun, in der Anzeige hieß es: Mit ihm starb einer unserer Besten." Weitab von solchen Scherzen fragt unser Leser B., ob dieses spezielle mit mehr und mehr durch in abgelöst werde. Er bezieht sich auf die Nachricht von John Boltons Buch, in der es hieß: "Doch in Bolton sagt das jetzt erstmals jemand aus dem innersten Führungskreis ..." Der Passus kam ihm umso abstruser vor, als in Bolton ja erkennbar niemand redete. Grimms Wörterbuch führt für die Legitimität dieses Sprachgebrauchs an, dass damit "die zur Einheit gewordene Verbundenheit" angedeutet werde. Um auf obigen Witz zurückzukommen, so kann die Frage, wer mitgestorben sei, nur bei Todesfällen in Dynastien korrekt beantwortet werden: Mit ihm erlosch die Linie Soundso.

WAS ES MIT BRAUCHTÜMERN auf sich habe, will Leserin B. wissen. Um es locker zu sagen: Brauchtümer sind insofern Irrtümer, als das Brauchtum selber schon alles in sich schließt, was an Sitten und Gebräuchen vorliegt. Da ist, wie man heute sagt, keine Luft mehr nach oben, also zum Plural.

© SZ vom 14.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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