DER IMPERATIV ist zwar keine Straftat, aber wenn man einem Internetkommentar glauben darf, machen manche Sprecher und Schreiber um bestimmte Formen des Imperativs einen Bogen, um sich "nicht bei der Verwendung der literarischen Hochsprache erwischen (zu) lassen". Das zielt auf Imperativformen, die auch unser Leser K. im Auge hat respektive eben nicht, da er sie für verschwunden hält und durch die falschen Formen ersetzt sieht: lese statt lies, gebe statt gib oder, wie in einer Überschrift geschehen, esse statt iss. Anders als von Herrn K. vermutet, wurden diese Formen jedoch keineswegs abgeschafft. Nach wie vor gilt, dass starke Verben, die dem "e/i-Wechsel" unterliegen, den Imperativ üblicherweise mit diesem "i (ie)" bilden: sieh statt sehe, birg statt berge. Bei wahlweise stark oder schwach konjugierten Verben ist indessen Vorsicht geboten. Es heißt: "Erschrick nicht!", aber: "Erschrecke ihn nicht!"
DAS WORT UNFASSBAR hatte seine beste Zeit in der theologischen Literatur, indem Gott dort oft damit beschrieben wurde. Grimms Wörterbuch stuft das Adjektiv als "gewählter, seltener und sinnlicher als das verwandte unbegreiflich" ein, eine Qualifikation, der Leser St. zumindest in dem Punkte "seltener" widersprechen dürfte. Seinem Gefühl nach wird unfassbar geradezu inflationär verwendet, wobei es meist zusätzlich zu der Absurdität komme, dass das, was in einer Meldung für unfassbar ausgegeben wurde, in der Kommentierung als durchaus fassbar erscheine. Zwei Proben aus jüngster Zeit bestätigen diesen Eindruck. Einmal hieß es, "unfassbar viele Münchner" hätten dem Chirurgen Johann Nepomuk von Nußbaum die letzte Ehre erwiesen. Laut Bayern 2 waren es 20 000; unfassbar wäre eher, dass Nußbaum 200 000 Operationen durchgeführt haben soll. Über den Rapper Kendrick Lamar war zu erfahren, dass er in Berlin eine "unfassbar unterhaltsame Show" geboten habe. Der Untertitel bekam die Sache aber doch noch zu fassen: Die Show war "atemberaubend".