Sprachlabor:Der Deppengenetiv

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Schon vor Jahren hieß es: "Der Dativ ist dem Genetiv sein Tod." Doch nun scheint eher der Dativ in Gefahr zu sein.

Von Hermann Unterstöger

PRÄPOSITIONEN heißen im Deutschen deswegen Verhältniswörter, weil sie das Verhältnis klären, in dem diverse Elemente eines Satzes zueinander stehen: Bei Buch, liegen und Schrank kann das Buch auf, in oder unter dem Schrank liegen. Wir hatten kürzlich das Bild einer kanadischen Cannabis-Plantage im Blatt, dazu diesen Text: "Ein Großteil der Blüten (...) wird derzeit noch nach Deutschland importiert." Daran stieß sich Leser W., dem sein Sprachgefühl sagte, dass die Präposition nach beim Import nichts verloren habe: Export nach, Import von . Spontan möchte man einwenden, dass Einfuhr und Ausfuhr stets zwei Enden haben: woher sie kommen und wohin sie gehen, weshalb denn auch Importe von Kanada nach Deutschland möglich sein sollten. Unser Bildtext schien eher daran zu kranken, dass die Angabe "nach Deutschland" sich anhörte, als würden besagte Blüten zwar nach Deutschland importiert, nicht aber auch nach China oder Peru oder in den Vatikanstaat.

DASS PRÄPOSITIONEN eine "Rektion" haben, also einen Fall "regieren", ist aus Schultagen bekannt. Trotzdem wird bei bestimmten Präpositionen oft gegen diese Regel verstoßen, zum Verdruss von Leser Sch., der Missgriffe wie "entsprechend des Energieverbrauchs" und "mitsamt des maroden Stadions" notiert hat. Er wertet das als Neubelebung des Genitivs, als so verdrießliche freilich, dass er diesen Genitiv "Deppengenitiv" nennt.

LEICHT VERGIFTETES LOB spendet Leser A. für "makularisieren": Neue Wörter wie dieses werde er in ein Büchlein schreiben, das er, wenn es voll ist, zu makulieren gedenke. Wenn er will, bringen wir ihn in Verbindung mit Leser Q., der sich mit der Frage quält, ob "triagieren" das korrekte Verb zur Triage ist oder ob man, nach dem Beispiel von Montage/montieren oder Sabotage/sabotieren, nicht besser triieren sagen sollte. Hoffentlich verfällt jetzt niemand auf die Idee, triagisieren als Ausweg vorzuschlagen.

© SZ vom 09.04.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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