Sprachlabor:Ausdrücklich beeindruckt

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(Foto: Luis Murschetz (Illustration))

Die Leibeigenschaft gibt es nicht mehr, wohl aber das Wort leibeigen. Als es in einem Artikel vorkam, meldete sich eine Leserin, um das anzuprangern.

Von Hermann Unterstöger

"AUSDRÜCKLICH BEEINDRUCKT" war Leser Dr. M. von der Charakterisierung "ein eindrückliches Dokudrama". Da es Herr M. dabei beließ, war nicht genau festzustellen, worauf er hinauswill. Erste Vermutung: Ihm missfällt das Wort eindrücklich, und er hätte es lieber durch beeindruckend oder eindrucksvoll ersetzt gesehen. Zweite Vermutung: Ihm widerstrebt die adjektivische Verwendung eines Worts, das sich sehr nach Adverb anfühlt. Für diese Zuordnung sprechen Belege, die eindrücklich vorwiegend adverbial zeigen: "Diese Art, sich deutlich und eindrücklich zu machen" (Goethe, Aus meinem Leben). Heutzutage behauptet eindrücklich sich als Adjektiv, wobei das "eindrückliche Zeugnis" dem in der Tourismuswerbung entdeckten "eindrücklichen Quartier" klar vorzuziehen ist. Sollte Herr M. sich falsch gedeutet sehen, bitten wir nachdrücklich um Pardon.

DAS ARCHIV lehrt, dass Ersteres da und dort gern mit Zweiteres fortgesetzt wird, obwohl der Sprachinstinkt davor warnen sollte: Zu Ersteres passt allenfalls Letzteres, und man verwendet das Paar im Sinn von dies / jenes oder das eine / das andere. Leser S. wies auf diesen Sachverhalt hin, als bei uns kürzlich ein Zweiteres auftauchte, gottlob ohne ein Dritteres nach sich zu ziehen. Bei Grimm wird erstere als ein "aus dem superlativ neu vorquellender comparativ" erklärt. Da der Zweite kein Superlativ ist, muss ihm auch nichts Vergleichbares entquellen.

DIE LEIBEIGENSCHAFT ist passé, nicht aber das Wort leibeigen. Als bei uns nun "leibeigene Enkel" auftauchten, rügte Leserin M. dies als Schnitzer. In der Tat: Enkel sind keine Leibeigenen. Zugunsten unserer Autorin ist indes die Vermutung erlaubt, dass sie leibeigen ironisch setzte, immerhin ging es um Fortpflanzung. Diesen Gebrauch illustriert ein Satz aus Theodor Gottlieb von Hippels "Lebensläufen nach aufsteigender Linie": "Herr v. W- fürchtete den Junker v. K- und seinen leibeigenen Sohn, der es mit Junker v. K- hielt."

© SZ vom 04.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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