Sprachlabor:Abgetrennte Partikel

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Bildunterschriften halten so manches Sprachkunststück parat. Über Autos der Zukunft und Warten auf Verwarnungen.

Von Hermann Unterstöger

DAS AUTO DER ZUKUNFT? Eine Ahnung davon, wenn auch eine eher verwirrende als klärende, vermittelte diese Bildunterschrift: "Das Auto der Zukunft soll ein ganz neues Auto sein, als man es bisher kennt, glaubt Volkswagen." Das, schrieb unser Leser B., sei "in der Tat ein neues Deutsch, als ich es bisher kannte".

ÄHNLICH VERWIRREND, wiewohl aus einem anderen Grund, war folgender Bildtext: "Christian Rohlfing zweifelt, aber auf gibt er nicht." Leser H. ordnete aufgeben völlig richtig den Partikelverben zu, deren Besonderheit in der Trennbarkeit ihrer Konstituenten besteht: aufwachen, er wachte gegen sieben Uhr auf. Man könnte nun meinen, die Lockerheit des deutschen Satzbaus brächte es mit sich, dass die abgetrennte Partikel nach Belieben positioniert werden dürfe, doch dem ist nicht so. Auf wachte er gegen sie ben Uhr ist, um es schnittig zu sagen, ein No-Go, weil bei einer Trennung des Verbs dessen nichtverbaler Teil hinter das Verb zu stehen kommt, üblicherweise ans Ende des Satzes. Dichter dürfen sich auch hier Freiheiten erlauben. Als Beleg wird gern "Auf steigt der Strahl" aus dem Gedicht "Der römische Brunnen" angeführt, ein insofern nicht exakt passendes Zitat, als C. F. Meyer "Aufsteigt" schrieb.

IM DRITTEN BILDTEXT hieß es: "... wartete auf seine erste Verwarnung", und wer dies herausgelöst aus dem Kontext gelesen hätte, der hätte vermuten müssen, hier sei die Rede von einem ruppigen Fußballspieler, der jeden Augenblick mit der gelben Karte rechnet. Unser Leser R. hatte aber den Überblick, und da es sowohl im Artikel als auch im Bildtext um den Schiedsrichter Felix Brych ging, war ihm klar, dass dieser nicht auf die erste Verwarnung wartete, sondern mit dieser, und zwar bis zur zweiten Halbzeit.

"AMTSKOLLEGE" ist laut Leser W. Unfug, weil lat. collega schon Amtskollege bedeute. Da dies Wort aber auch für Mitregent, Amtsgehilfe, Zunftgenosse und einiges mehr steht, wollen wir's gut sein lassen.

© SZ vom 14.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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