Russlandpolitik:Was taugen Mützenichs Ideen für die Ukraine?

Lesezeit: 4 min

(Foto: Michael Holtschulte)

Der SPD-Fraktionschef überlegt, ob man den Krieg einfrieren könne - was Diskussionen auch unter Leserinnen und Lesern auslöst. Viele zollen ihm aber auch Respekt für das Interview in der SZ.

Interview "Ich bin kein Russlandversteher" und "Ein bisschen reden" vom 23. März:

Außenpolitischer Dreiklang

Rolf Mützenich bekennt sich klar zu weiteren Waffenlieferungen, versucht aber mit der Forderung nach einem Einfrieren des Konflikts eine andere Handlungsoption zu eröffnen. Ein Waffenstillstand ist nötig, um das endlose Leiden der Bevölkerung zu beenden. Lars Klingbeil wird in dem Artikel mit dem Verweis auf Willy Brandt zitiert, der seine Außenpolitik als Dreiklang aus Diplomatie, militärischer Stärke und der Einhaltung des internationalen Rechts verstanden hat. Exakt in diesem Sinne äußert sich Rolf Mützenich.

Dr. Hanns Bölefahr, Bonn

Appeaser und Kriegstreiber

Vielen Dank, dass Sie das ausführliche und differenzierte Interview mit dem Fraktionsvorsitzenden der SPD im Bundestag geführt haben. Es ist ein wichtiger, ja notwendiger Kontrapunkt zu der sehr einseitigen Berichterstattung zahlreicher Medien, die Herrn Mützenich Blauäugigkeit und Leichtfertigkeit unterstellen. Ich habe die ganze Debatte im Bundestag verfolgt und die Rede Mützenichs als eine Kritik am derzeitigen Diskurs in Deutschland verstanden, nicht als Werbung für ein Stillhalten vor Putin. Wer Mützenich Appeasement-Politik vorwirft, dürfte sich nicht beschweren, wenn er seinerseits als Kriegstreiber bezeichnet würde.

Im Interview wird deutlich, dass Mützenich uneingeschränkt auf der Seite der Ukraine steht. Irritiert bin ich aber davon, dass die SZ irgendwie gleich wieder von dem Interview abrückt. Denn in der Print-Ausgabe wurde direkt darunter ein weiterer Artikel von Georg Ismar abgedruckt, der den Sozialdemokraten Naivität und Kalkül unterstellt. Es ist Herrn Ismars gutes Recht, das so zu sehen - aber direkt unter dem Interview auf derselben Seite? Ist das jetzt üblich, dass man Interviews, die nicht so laufen, wie man es beabsichtigt hat, noch einmal aus der vermeintlich höheren Warte des Journalisten kommentiert? Von der SZ bin ich Besseres gewohnt.

Anton Rütten, Köln

Respekt für Mützenich

Wie kann man nur ein solches Interview führen. So wenig empathisches Interesse für die Sicht des anderen, so wenig Verständnis für die Lösungsansätze des Interviewten. Liebe Interviewer, liebe grüne Friedenspartei, liebe FDP: Ihre Söhne werden nicht an die Front geschickt, Ihre Töchter werden nicht der Gefahr ausgesetzt, vergewaltigt zu werden. Können Sie sich in die Situation versetzen von Menschen, die all dem im Krieg ausgesetzt sind? Ich habe sehr viel Respekt für Herrn Mützenich, der andere Lösungsansätze vorschlägt.

Peter Lindlacher, Staudach-Egerndach

Penetrante Fragen

Ich muss zugeben, ich freute mich auf dieses Interview. Aber es war dann doch so geführt, wie ich es befürchtet hatte. Beispielhaft zeigt sich hier, wie mit sich penetrant wiederholenden Fragevariationen versucht wird, den Interviewpartner in eine bestimmte Ecke zu stellen. Aber Herr Mützenich ist zum Glück ein Profi in der Abwehr solcher Salven: Putin nachgeben? Putin die Krim oder mehr überlassen? Einem Frieden unter Opferung von Teilen oder von der ganzen Ukraine zustimmen? Herr Mützenich, so sehe ich es, hat sich nicht ins Bockshorn jagen lassen. Er hat es trotz der tendenziösen Fragen geschafft, den bisherigen Kanzlerkurs als einen Glücksfall nicht nur für Deutschland darzustellen. Ein Glück, dass wir ihn haben.

Stephan Hansen, Ergolding-Piflas

Fantasie vom Siegfrieden

Gefährlicher als die dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich unterstellten Träumereien vom Einfrieren des Ukraine-Kriegs erscheinen mir die Fantasien seiner journalistischen Kritiker von einem Siegfrieden der Ukraine. Von solchen Siegesfantasien lassen sie sich weder von der Realität noch von der Einschätzung namhafter Militärs abbringen lassen. Jeder Einspruch wird der Lächerlichkeit preisgegeben.

Klaus Tiggemann, Rüscheid

Mangel an Sensibilität

Dass die SPD gerade jetzt, da Putin nicht an Frieden denkt, von einem Einfrieren des Krieges redet, zeugt von einem Mangel an Sensibilität gegenüber der Ukraine. Die Ukraine verteidigt gerade die Demokratie für ganz Europa. Frieden beginnt erst, wenn der Krieg beendet ist und der Sieger militärisch feststeht. Eine Wahrheit, die leider immer auch mit Tod und Elend verbunden ist.

Thomas Bartsch Hauschild, Hamburg

Vorwürfe und Unterstellungen

Wie sehr ist in diesen Tagen auch der innere Frieden in Europa bedroht: durch gegenseitiges Verurteilen, Verkürzen, Nichtzuhören, durch Vorwürfe und Unterstellungen. Rolf Mützenich hat erklärt, was er mit "Einfrieren" meint, Frau Baerbock meint dazu in den "Tagesthemen" im Hinblick auf die Berichte aus den russisch besetzten Gebieten: Den Konflikt einzufrieren bedeute, man nehme die Gewalttaten in den Gebieten einfach weiter hin. Was sollen solche Aussagen?

Die Ukraine hat das Recht auf Selbstverteidigung. Es fällt jedoch auf, dass in vielen Debatten nur über die Folgen des Krieges für die Ukraine gesprochen wird. In diesem Krieg sterben Menschen, vor allem junge Menschen, aus beiden Völkern. Dieser Krieg wird nicht ohne Verhandlungen zu Ende gehen. Diese werden mühsam werden und trotzdem geführt werden müssen. Je früher, desto besser. Ich wünsche mir von den Regierenden, dass sie an einer Friedensarchitektur arbeiten, die Russland und seine Interessen miteinbezieht.

Gerta Klaßen, Köln

Vorteile des Appeasements

In dem Interview verweisen Sie in Ihrer Frage auf den britischen Premierminister Neville Chamberlain, den Sie als Schwächling darstellen, der mit dem Münchener Abkommen den Diktator Adolf Hitler einhegen wollte, mit seiner Appeasement-Politik aber letztlich den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs befördert habe. In der Realität hat Chamberlain sich keinen Illusionen über die Absichten des Deutschen Reichs hingegeben und mit dem Münchener Abkommen Zeit gewonnen, um Großbritannien wehrfähig zu machen. Er hat die Marine und die Luftwaffe massiv aufgerüstet, damit das Land dem Deutschen Reich widerstehen konnte. Für einen zu der Zeit schwer erkrankten Mann, der kurz nach seinem Rücktritt verstorben ist, war es eine bemerkenswerte Leistung. Winston Churchill hat von seiner Arbeit profitiert und sich als Retter der Nation in Szene gesetzt.

Stephan Rubbert, Karlsfeld

Hinweis

Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion, sie dürfen gekürzt und in allen Ausgaben und Kanälen der Süddeutschen Zeitung, gedruckt wie digital, veröffentlicht werden, stets unter Angabe von Vor- und Nachname und des Wohnorts. Schreiben Sie Ihre Beiträge unter Bezugnahme auf die jeweiligen SZ-Artikel an forum@sz.de. Bitte geben Sie für Rückfragen Ihre Adresse und Telefonnummer an. Postalisch erreichen Sie uns unter Süddeutsche Zeitung, Forum & Leserdialog, Hultschiner Str. 8, 81677 München, per Fax unter 089/2183-8530.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: