Mythos Wald:Vor lauter Bäumen nicht

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Der Wald: Kulturgut und Erfahrungszone. (Foto: Andreas Vitting/Imago)

In Deutschland wird der Wald oftmals romantisch überhöht. Für seine Schönheit und Nützlichkeit ist er dennoch nicht genug zu loben.

"Unheimlich schön" vom 17./18. Mai:

Wohlergehende Landschaft

Es erscheint unheimlich mutig, sich in das Unterholz des deutschen Waldes zu begeben mit Ilex Aquifolia, Brombeere, aber auch mit Maggi-Kraut, besser: Liebstöckl, und Waldmeister. Zugleich wird im Artikel ein sagenhafter Bogen geschlagen vom gescheiterten Varus in den Wäldern Germaniens - die Angabe ist inzwischen überholt, was schon Theodor Mommsen vermutete, man schaue mal in Kalkriese nach - über Rotkäppchens Wolf bis zum neuerdings aufgetauchten Bär in diesen Wochen. Wahrlich, der Wald ist unheimlich, hinter jedem Baum, falls es ihn denn noch geben sollte, lauern Gefahren.

Der Beitrag spiegelt eine fast typisch urbane und überhebliche Sicht auf ein wesentliches Element der Kulturlandschaft in unserem Lande wider. Der Wald ist ein bedeutendes Klimaelement und wichtig für unsere Gesundheit. Auch wenn in den letzten Jahren saurer Regen, Stürme, Borkenkäfer und Eichenprozessionsspinner große Waldbereiche zerstörten. Waldpflege ist sinnvoll. Bekanntlich stammt der Begriff Nachhaltigkeit aus der deutschen Forstwirtschaft und wurde als innovatives Know-how in zahlreiche Länder der Welt transferiert. Man könnte auch sagen, der Exportschlager ist keineswegs die Automobilindustrie, sondern die Erfahrung der deutschen Forstwirtschaft.

Solche Gedanken setzen voraus, dass man den Wald - seine Schönheit und seine Gefahren - seit Kindesbeinen kennenlernen und erfahren durfte. Der Beitrag referiert zwar Literaturkenntnisse, aber zu wenig Aktuelles, zum Beispiel im Zusammenhang mit den Waldzustandsberichten auf Bundes- und Landesebene. Anstatt froh zu sein, wie viele Arten der Waldbewohner wieder bei uns heimisch geworden sind, bemüht der Beitrag Ungeheuer wie Drachen. Leider werden vampirhafte Flattertiere nicht genannt oder Unheil verkündende Käuze. Es fehlen die putzigen Eichhörnchen. Wildschweinen sollte ein Waldbesucher nicht unbedingt begegnen, die entsprechenden Zeiten sind allerdings einem Kundigen bekannt. Eine Wildschweinmutter verteidigt einfach ihre Frischlinge. Der Beitrag erscheint zwar feuilletonistisch amüsant. Den Wald als wohlergehende Landschaft für uns Menschen begreift er allerdings nur im Ansatz.

Dr. Meinolf Rohleder, Münster

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