Krönung von Charles III.:Und wer schützt die Briten?

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SZ-Zeichnung: Denis Metz (Foto: N/A)

Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer haben die Krönung von König Charles III. live im Fernsehen verfolgt. Viele SZ-Leser sehen das Spektakel auf der Insel mit gemischten Gefühlen.

"Eine schrecklich reiche Familie" und "Pomp und Gene", beide vom 6. Mai, und "Gierig nach einem Thron" vom 28. April:

100 Millionen Pfund

Kaum zu glauben, dass König Charles für seine Krönung mit 2000 Gästen aus der ganzen Welt rund 100 Millionen Pfund ausgegeben hat. Kein armer König. Aber vor wenigen Tagen erklärten nur 58 Prozent der Briten, das Vereinigte Königreich solle eine Monarchie bleiben. Für das Königshaus gelten weder Transparenz-Gesetze noch eine Rechenschaftspflicht. Die Bevölkerung hat keinerlei Einsicht in die königlichen Finanzen. Der König bezahlt angeblich freiwillig Steuern, wobei niemand wisse, wie viel.

Kein Wunder, wenn der neue König weniger beliebt ist, als es seine Mutter war. 38 Prozent der Briten sprechen sich bereits für ein gewähltes Staatsoberhaupt aus. In Großbritannien sterben 300 bis 500 Menschen pro Woche, weil sie bei Notfällen nicht rechtzeitig oder nicht angemessen versorgt werden. Wer da von einem Krankenwagen abgeholt werden möchte, wartet länger als eine Stunde. Bis zu 38 000 kranke Menschen müssen mehr als zwölf Stunden in der Notaufnahme ausharren, bevor sie in eine Station verlegt werden.

Leider leben immer mehr Briten in Armut. Alleine im letzten Jahr waren es über 13 Millionen. Vielen geht das Geld aus für Strom, Gas und Lebensmittel. Arme Bürger drehen die Heizung ab und verzichten auf Mahlzeiten, um zu sparen. Manche Briten versuchen, die Kosten für Strom und Gas gering zu halten, indem sie bei Kerzenlicht essen oder gar nicht kochen. Selbst 1400 Millionäre sind im Jahr 2022 aus Großbritannien ausgereist, und viele Banker. Das erleben wir in einem einst reichen Land, wo der neue König für seine Krönung alleine 100 Millionen Pfund ausgibt?

Dirk Wanke, Kiel

Bedürfnis nach Stabilität

Die Autorin A. L. Kennedy beklagt, dass die Zustimmungswerte der Royals unter sechzig Prozent liegen. Ein Wert, den viele demokratisch gewählte Präsidenten gerne hätten. In Schottland haben sich 2014 mehr als 55 Prozent der Wähler für einen Verbleib im Vereinigten Königreich und damit für die Monarchie ausgesprochen - bei einer Wahlbeteiligung von 84 Prozent, die wir schon seit Jahrzehnten nicht mehr erreichen. Kennedy hat nicht verstanden, wie wichtig Rituale im Leben sind und dass die Menschen nicht nur im Vereinigten Königreich ein Bedürfnis nach Kontinuität und Stabilität haben. Kaum ein Staatsoberhaupt hat so lange so erfolgreich für die Völkerverständigung gearbeitet wie Königin Elizabeth.

Übrigens halten Menschen in anderen Ländern die Briten keineswegs für verrückt, wie Frau Kennedy vermutet. Im Gegenteil, über 270 Millionen von ihnen haben die Krönungszeremonie mit Freude im Fernsehen verfolgt. Darunter vermutlich auch viele Durchschnittsbriten, die offensichtlich unter der Monarchie weniger leiden, als Frau Kennedy weismachen will.

Thomas Herwig, Bremen

Gemeinsamkeit verkörpern

Was wurde nicht schon alles zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt? Der Tango, die tibetische Oper, die Kunst des Pizzabackens und 566 weitere "kulturelle Ausdrucksformen". Die britische Monarchie befindet sich schon deshalb nicht darunter, weil das Vereinigte Königreich der entsprechenden Unesco-Konvention bisher nicht beigetreten ist. Der König würde sich wohl auch dagegen verwahren, unter internationalen Schutz gestellt zu werden.

Jeder, der sich die Krönung im Fernsehen angeschaut hat, konnte ahnen, dass dies nicht nur ein Mummenschanz war, sondern im Kern ein identitätsstiftendes Ritual, zumindest für den dadurch ansprechbaren Teil der Briten.

Wir Deutschen haben nichts Derartiges. Allenfalls auf lokaler Ebene pflegen wir ähnliche Bräuche, zum Beispiel die Krönung von Weinköniginnen. Aber zumindest das materielle Kulturerbe ist uns geblieben, unsere Museen, unsere Kirchen, Schlösser und Gärten, deren aufwendige Erhaltung ja zu nichts anderem dient, als die Vergangenheit, in der ganz andere Verhältnisse herrschten, als etwas uns Verbindendes wachzuhalten.

Durch glückliche Umstände hat sich in Großbritannien eine Institution und das zuständige Personal gehalten, deren einzige Aufgabe es ist, Gemeinsamkeit zu verkörpern. Die Briten wären dumm, das ausgerechnet jetzt abzuschaffen. Die menschlichen Unzulänglichkeiten der Königsfamilie sind kein Gegenargument. Wenn etwas nicht nur ein abstraktes Gerüst sein soll, sondern mit Fleisch und Blut versehen, dann kann es nicht fehlerfrei sein.

Axel Lehmann, München

Empire ade

Die SZ beschäftigt sich äußerst umfangreich mit der vielleicht letzten Krönung des letzten Königs. Auf Seite Drei wird ausführlich erläutert, wie reich das Herrscherhaus vermutlich ist, denn genaue Zahlen gibt es nicht. Als die Deutschen könnten wir uns da genüsslich zurücklehnen und sagen, dass uns der ganze Pomp und die ganze Verschwendung nichts angehe. Ich bin mir ziemlich sicher, dass eine nicht so kleine Minderheit verkappter Royalisten sich auch wieder - wie schon bei der Beerdigung von Elisabeth II. - stundenlang das Ganze live ansehen und innerlich seufzen wird: "Schön wäre es, wenn wir auch so etwas hätten." Natürlich nur als symbolisches Königshaus ohne wirkliche Macht, so eine Art "royaler Bundespräsident", der ab und zu kluge und weniger kluge Reden hält und regelmäßig Stoff für die Boulevardpresse liefert.

Aber die Beliebtheit solcher Cliquen mit hohem Anspruch an Geldverschwendung, der es durch die "unendliche Queen" gelang, die Kritik zu verschleiern, bröckelt. Das "me too" der Briten - "not my king!" - wird immer stärker. Und wenn im 21. Jahrhundert in einer der ältesten Demokratien vom ganzen Volk ein "Treueeid" zum König gefordert wird, klingt das nicht nur undemokratisch. Ein Staat, der durch den Brexit in den Krisen noch mehr betroffen ist als andere in Europa, in dem sehr viele Bürger froh sein können, ein Millionstel des Vermögens des Königs ihr Eigen nennen zu dürfen, bietet eine Show, um an längst vergangene Zeiten des "Empire" zu erinnern, an die Zeiten, die es ermöglichten, durch Ausbeutung der Kolonien derartige Reichtümer anzusammeln. Und dieser Staat fordert von seinen Bürgern, dem alten System zu huldigen?

Die Regierungen dieser republikanisch verfassten Gesellschaft schaffen es nicht, ein überlebtes System abzuschaffen. Der König lebt in einer Welt, die sich von der seines Volkes ziemlich unterscheidet. Er oder potentielle Nachfolger werden weder abdanken noch einem Präsidenten Platz machen. Dazu müsste sich aber vorher die Politik dazu aufraffen, endlich eine geschriebene Verfassung zu erstellen. Denn sonst wird es immer beim System bleiben: "Wir machen das, wie wir das schon immer gemacht haben."

Natürlich habe ich als Deutscher nicht das Recht, den Briten gute Ratschläge zu geben. Oder doch? Jeden Tag wird in der SZ irgendeinem Staat oder einer Regierung, seien es Russland, China oder die USA, gesagt, wie sie es besser machen könnten, mit der Gewissheit, dass die anderen nicht das tun werden, was sich der Redakteur ausgedacht hat. Im Falle Großbritanniens können natürlich nur die Bürger genügend Druck ausüben, um die Regierung zu bewegen, darüber nachzudenken, ob sich das Land in den Zeiten Sir Francis Drakes befindet oder im 21. Jahrhundert.

Stefan Kornelius hat recht: Die Initiative dazu wird nicht von Charles III. oder einem Nachfolger ausgehen. Die haben sich in ihrem unverdienten Wohlstand gut eingerichtet. Auch wir hatten mal ein Kaiserhaus, dessen Regenten eher von begrenzter Weitsicht geprägt waren. Damals war ein verlorener Krieg der Auslöser, sich von diesen Herrschaften zu trennen.

Ich hoffe nicht, dass es eines solchen Ereignisses bedarf, um die Mehrheit der Briten von ihrem ständigen Gehabe als "Empire" wegzubringen. Die Folgen des Brexit, so schmerzhaft sie sein mögen, könnten aber vielleicht sogar nützlich dabei sein.

Thomas Spiewok, Hanau

Anstand, Würde und Respekt

"Schrecklich und obszön reich", "weltfremd", "zu Unrecht privilegiert" und "Charles, ein schrulliger Sonderling... ein weltfremder Milliardär?": Ich bin jetzt offensichtlich auch ein "schrulliger Sonderling", wenn ich mich darüber freue, wie gerade in den heutigen unruhigen Zeiten diese königliche Tradition mit Anstand, Würde und mit einer neuen, weltoffenen und besonders menschlichen Charles-Intonation weitergetragen wird. Mein Respekt und auch mein kleinbürgerlicher Dank.

Stephan Hansen, Ergolding-Piflas

Überflüssige Institution

Treu und teuer scheint den Briten ihre Monarchie zu sein. Wohl aus Gewohnheit und Nationalstolz. Großbritannien eben. Es sei ihnen gegönnt, solange sie sich nicht als gemolkene Untertanen fühlen und die Kosten dieses Spektakels tragen und ertragen. Dass die Süddeutsche Zeitung dieser Show drei Seiten widmet, erstaunt. Scheint doch das Interesse der Deutschen an der "glorreichen Kaiserzeit" noch vorhanden zu sein. Was wir Deutschen jedoch gelernt haben, ist die bleibende Abscheu vor einer Führung. Der Treueschwur für eine Person oder Institution von gestern ist heutzutage überflüssig wie ein Kropf. Papsttum eingeschlossen.

Harald Dupont, Ettringen

Königliches Brimborium

Natürlich habe ich als guter Bürger im Lande fast schon eine Verpflichtung, dem royalen Geschehen, wenn auch nur per Gluckkasten, beizuwohnen, ich habe ja sonst nichts zu tun. Schließlich hat es über 70 Jahre gedauert, bis es endlich mal wieder zu einer ordentlichen britischen Krönung gekommen ist. Das Rentner Ehepaar Charles III. und Camilla sind nun König und Königin. Geld spielte bei diesem königlichen Brimborium überhaupt keine Rolle, denn alles wird ja aus dem Staatssäckel bezahlt. Ob unser Bundespräsident und Ehrengast Frank-Walter Steinmeier auch (s)einen Obolus geleistet hat, das dürfte wahrscheinlich als die selbstverständlichste Selbstverständlichkeit vorausgesetzt werden. Die Welt braucht einfach noch mehr von diesen superreichen Milliardären, damit diese weiterhin und weltweit nach ihrer Gutsherrenart agieren können. Merke, nur wer das nötige Kleingeld hat, der regiert auch in der Welt mit! Das Königspaar, es lebe hoch, hoch, hoch!

Klaus Jaworek, Büchenbach

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