Pflege:Bedürftige haben zu wenig Rechte

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Die Ökonomisierung der Pflege schützt die Anbieter, nicht die Menschen, um die es eigentlich gehen müsste. Ohne eine gewaltige Reform wird sich daran wenig ändern.

"Hunderte Hilferufe bei neuem Pflege-SOS" vom 28. November

In dem Beitrag werden Symptome benannt. Die symptomauslösende Ursache, die Ökonomisierung der Pflege, wird leider nicht erwähnt. Seit Einführung der Pflegeversicherung geht es in der Pflege vor allem um Geld, das eingespart werden soll beziehungsweise um Gewinne, die gemacht werden müssen. Die Bedarfe von Menschen mit Pflegebedarf und der sie Pflegenden und begleitenden Menschen spielen systemisch keine Rolle. Der Faktor "Mensch" hat in der Pflegeversicherung keinen Stellenwert, Zufriedenheit ist kein Qualitätsfaktor.

Es ist paradox, dass die Auftraggeber und Finanziers der Pflege - die Menschen mit Pflegebedarf, die Menschen in den Betten und ihre Angehörigen - keine Stimme haben. Verbraucher- und Vertragsrecht können nur schwer geltend gemacht werden. Die Pflege ist offensichtlich ein quasi rechtsfreier Raum. Wie sollen sich Pflegekräfte mit Pflegebedürftigen und/oder Angehörigen unterhalten und beschäftigen, wenn es für Gesprächszeiten gar keine Refinanzierung, gar keinen Kostenträger gibt?

Dieser Bericht zeigt nur die Spitze des Eisbergs. Es gibt nicht nur offensichtliche, es gibt auch sehr subtile Gewalt. Der Staatsminister möchte Missstände erkennen und abstellen. Fragt sich, wie? Eine Gewerkschaft ist für die Interessen professionell Pflegender zuständig. Wer ist das fürs Wohl von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen? Wir benötigen ein bedarfsorientiertes, kein anbieterorientiertes Pflegesystem. Wir benötigen dringend eine Reform, eine Schwerpunktveränderung in der Pflege. Der Mensch darf nicht nur auf dem Papier im Mittelpunkt stehen. Diese Forderung muss gelebt werden können, entsprechende Handlungsmöglichkeiten müssen finanziert werden! Und ganz nebenbei: Über 80 Prozent der Menschen mit Pflegebedarf jeden Alters werden unentgeltlich "nebenher" von Angehörigen versorgt. Wie lange das wohl noch gut geht?

Brigitte Bührlen, München

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