Pflegereform:"Mit einer Reform hat das nichts zu tun"

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Eine Pflegefachkraft geht mit einer Bewohnerin durch ein Seniorenheim. (Foto: Sina Schuldt/dpa)

Die Bundesregierung hat neue Gesetze für die Pflege beschlossen. Das ändert, laut SZ-Leserinnen und -Lesern, wenig am System - dabei wären Änderungen dringend notwendig.

"Was sich in der Pflege ändert" vom 27./28./29. Mai:

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Seien wir ehrlich: Es war von vornherein klar, dass das beschlossene Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) nicht den Namen "Pflegereform" verdienen wird. Nur Welt- und Fachfremde, die noch nichts vom demografischen Wandel vernommen haben und denen sich die Logik der deutschen Sozialversicherung nicht erschließt, haben allen Ernstes an eine umfassende Reform des deutschen Pflegesystems geglaubt.

Es wird wieder nur an kleinen Stellschrauben gedreht, ein paar Euro mehr an Unterstützung, ein klein wenig mehr Entlastung und hie und da kleine Subventionen, um zum Beispiel die Digitalisierung in der Pflege nicht gänzlich zu vergessen. Keiner der einzelnen kleinen Trippelschritte ist falsch, und irgendwie geht das auch in die vermeintlich "richtige Richtung", aber mit einer Reform hat das natürlich nichts zu tun.

Deutlich wird hingegen, dass Pflege teurer wird, die Beiträge zur Pflegeversicherung weiter ansteigen und trotzdem noch mehr Steuergelder fließen müssten, um alle zuvor geäußerten Wünsche für eine noch besser ausgestattete Pflege zu finanzieren. Es ist - so schwer das auch zu kommunizieren und verdauen ist - richtig, dass ein Bundesfinanzminister keine weiteren Milliarden freigibt, wenn kein tragfähiges und generationsgerechtes Konzept in Sachen Pflege vorliegt.

Aber wahrscheinlich können wir auf einen solchen Pflege-Master-Plan lange warten. Denn welche Regierung hat schon den Mut und den Mumm, die künftige Pflege(-Finanzierung) auf der Folie rückläufiger Ressourcen zu entwerfen - mit weniger Geld und weniger Personal. Es bleibt spannend. Aber Glaube und Hoffnung sterben bekanntlich zuletzt!

Dr. Stefan Arend, Gräfelfing

Eine Klatsche für Angehörige

Ähnlich wie bereits das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (IPREG) verhöhnt das neu beschlossene PUEG die Betroffenen: Menschen mit (Intensiv-)Pflegebedarf und ihre 24 Stunden unbezahlt bereitstehenden Angehörigen. Im PUEG werden, die auch im Koalitionsvertrag als "neues Phänomen" wahrgenommen, pflegenden Familien wieder namentlich angeführt. Mit den gleichen Konsequenzen wie vor zwei Jahren: keinen greifbaren!

Schön, dass wir im PUEG erwähnt werden - wir pflegende Eltern von schwer kranken sowie mehrfach behinderten Kindern. Schön. Mehr aber auch nicht! Die minimale Leistungsanhebung ab 2024 ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Die vier Prozent Pflegegelderhöhung sind ein Trostpflaster, das keinem wirklich hilft in diesem mickrigen Umfang.

Was wir tatsächlich dringend benötigen, wissen wir pflegenden Familien selbst am besten. Seit Mai 2022 liegen die Handlungsempfehlungen pflegender Eltern von Wir pflegen e. V. vor. Hier steht eindeutig zusammen gefasst, was unverzichtbar wäre, um unseren Kollaps zu verhindern. In zahlreichen Gesprächen mit Politikerinnen und Politikern von Ländern und Bund - auch Frau Moll - haben wir eindeutig klargemacht, wie umfassend es brennt. Und was erhalten wir? Applaus und ein Taschengeld.

Das erinnert mich an den Umgang mit den Pflegefachkräften während der Corona-Pandemie. Für dieses Klatschen sind wir mit Sicherheit nicht auch noch dankbar, denn es bedeutet nur eines - eine Klatsche für alle pflegenden Angehörigen!

Was wir tatsächlich bräuchten, ist nichts Abgehobenes oder schwer Realisierbares, nur kleine Schritte, die unser ohnehin belastetes Leben etwas erleichtern würden. Das sind: Mehr und vor allem voll bezahlte Kindkrankentage für pflegende Familien, keine Streichung des Pflegegelds bei Klinik-, Kurzzeit- und Hospizaufenthalten. Für alle pflegenden Angehörigen, die keiner bezahlten Berufstätigkeit mehr nachgehen können, ein würdiges Care-Gehalt! Auf Lorbeeren ohne greifbare Konsequenzen können wir dankend verzichten!

Verena Sophie Niethammer, Nordheim, (Wir pflegen e. V.)

Neustart erforderlich

Diese Reform lässt alles vermissen! Ausnahmslos Beiträge und Steuern zu steigern, ohne dass es entsprechend positive Effekte oder mehr Effizienz im System gibt, wird nur die Inflation ankurbeln. Dieses neue Kapital ist bereits verbranntes Kapital, weil alle Strukturen im Gesundheits- und Sozialwesen vollständig kaputt sind! Das Geld wird dauerhaft fehlen, weil permanent falsch geplant wird, und die kaputten Strukturen nicht durch ein echt funktionierendes System ersetzt werden.

Die Lösung: Ein Neustart muss her! Wenn notwendige Strukturplanungen nicht berücksichtigt werden, kann mehr Geld allein nicht mehr helfen! Das hat mit einer Reform wenig gemein. Diese betroffenen Menschen (zu Pflegende und ihre Angehörigen und Bewohner von Pflegeheimen) werden im Regen stehen gelassen, sodass dieser Teil der Gesellschaft droht zum Armenhaus in Deutschland zu avancieren.

Der Begriff "Pseudoreform" ist noch die höfliche Formulierung für diesen Vorgang! Die Gesellschaft lehnt diese Art der Sozialpolitik zunehmend ab, auch weil diese spezielle soziopolitische Kontroverse ohne Zustimmung und ohne Mitsprache vom Volk getroffen wurde. Wer von diesem Handwerk nichts versteht, sollte die Finger davon lassen!

Wolfgang E. Frank, Augsburg

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