"Der Vatikan gibt sich den Rest" und "Vatikan bremst Reformen" vom 22. Juli, "Georg Bätzing" vom 25. Juli, "Kardinal Müller rügt Synodalen Weg" vom 1. August:
Diener sein
Kardinal Gerhard Ludwig Müller sieht keine Chance auf Umsetzung der Reformen des Synodalen Weges. "Der Grund ist, dass die Kirche von Jesus Christus eingesetzt und entworfen worden ist. Wir haben keine Vollmacht, diese Ordnung zu verändern." Als ehemaliger Theologieprofessor in Regensburg hat Kardinal Müller wohl alles vergessen oder ausgeblendet, was in der katholischen Theologie der letzten Jahrzehnte gesicherte Erkenntnis ist: Die Kirche ist in der Wirkungsgeschichte der Reich-Gottes-Botschaft des Jesus von Nazareth entstanden. Keinesfalls hat der historische Jesus die klerikal-absolutistischen Machtstrukturen der katholischen Kirche, wie sie sich in den beiden vergangenen Jahrhunderten herausgebildet hat, so intendiert oder gewollt.
Zum Missbrauch von Herrschaft heißt es im Evangelium: "Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein." (Mk 10,43) Zum Dienst gehört das Hören auf das "Volk Gottes unterwegs". Glücklicherweise hat Papst Franziskus Kardinal Müller schon vor fünf Jahren von der einflussreichen Leitung der Glaubenskongregation entbunden. Der Kurs Müllers macht aus der katholischen Kirche mittelfristig eine fundamentalistische Sekte.
Dr. Bernd Weber, Münster
Reformunfähig
Als Reformator wurde Papst Franziskus gefeiert. Und nun verdammt er den Synodalen Weg in Deutschland. Wann wird der Vatikan Erneuerungen zulassen? Wann wird er sich verjüngen? Reformation in der katholischen Kirche wird es nicht geben, solange vergreiste Männer im Vatikan das Sagen haben. Diese Kirche ist nicht einmal in der Lage, den Missbrauch von Kindern aufzuarbeiten. Vielleicht wollen sie es gar nicht. Diese Kirche wird noch viele Gläubige verlieren.
Christoph Rabas, Dießen am Ammersee
Anderer Schwerpunkt
"Am deutschen Wesen wird die katholische Kirche nicht genesen!" So kann man die Botschaft aus dem Vatikan zusammenfassen. Annette Zoch hat nicht unrecht, wenn sie das Ersticken des Engagements deutscher Kirchenaktivisten anspricht. Aber wie zentral ist es, sich im Kampf gegen Zölibat und für die Ausweitung des Diakonatsamtes aufzureiben? Zahlreiche Christinnen und Christen haben ihren Schwerpunkt jenseits der Themen des Synodalen Wegs: im Kampf gegen die Verarmung weiter Bevölkerungsgruppen und drohende Wohnungslosigkeit, für das Recht, auf der Flucht vor Not und Krieg nicht im Mittelmeer zu ertrinken, gegen die Verheizung von Menschen für imperialistische Kriegsinteressen, gegen Ausbeutung von Natur in Amazonas und Nordsee und der damit verbundenen Vernichtung von Lebensmöglichkeiten. "Diese Wirtschaft tötet", ist der Leitsatz des Pontifikats von Papst Franziskus. Die Gottesfrage muss im Mittelpunkt kirchlichen Handelns stehen. Wenn Gott ein Gott des Lebens ist, was ist dann in der Nachfolge Jesu wichtiger: das Engagement gegen das Sterben von Menschen, weil andere ihre Profitinteressen durchsetzen, oder der heldenhafte Kampf für das Recht, auch als Verheirateter eine Priesterweihe zu bekommen?
Man kann von Papst Franziskus nicht sagen, dass er nicht mutig ist. Für seine Kritik an der herrschenden Wirtschaftsordnung, aber auch an der Logik von Waffenlieferungen und Kriegseskalation bekommt er viele Anfeindungen zu spüren. Er setzt andere Schwerpunkte als das gutbürgerliche Kirchenmilieu in Deutschland, dessen binnenkirchliche Reformforderungen ihm keine Kirchenspaltung wert sind. Meines Erachtens zu Recht, auch wenn ich für die meisten Ergebnisse des Synodalen Weges stimmen würde.
Jonas Christopher Höpken, Oldenburg
Jesus war sehend
Vor Jahren gab ich ein Ressourcenseminar für eine großstädtische Verwaltung. Die Räume waren 30 Jahre nicht renoviert worden. Ein Stuhl brach zusammen. Ich erklärte dem Leiter der Fortbildung, dass neu gestaltete Räume die Arbeitsatmosphäre verbessern. Er antwortete, er gebe lieber Geld für nützliche Dinge aus. Der Mann war blind.
Unsere Bischöfe sehen nicht, dass zwischen den Skandalen, Strukturen und der veralteten Lehre ein Zusammenhang besteht. Und dass Jesus etwas anderes gelebt und gezeigt hat. Er war sehend und hat die Kinder, die Kranken, die Armen, die Fremden und die Frauen seiner Zeit angesehen. Die Wissenschaft zeigt: Keines der für diese Zeit typischen Vorurteile gegenüber Frauen wurde von Jesus übernommen. Es fanden keine Abstufungen und Herabwürdigungen statt. Das Gegenteil hat Jesus uns vorgelebt. Kaum zu glauben, dass dieser Jesus etwas gegen das Priestertum der Frau hat.
Dipl. Theologe Matthias Möller, Augsburg
Die Grenzen des Synodalen Wegs
Annette Zoch kritisiert den Papst. Man könnte aber auch die deutschen Bischöfe kritisieren: Der katholische Kirchenrechtler Professor Norbert Lüdecke hat vor einem Jahr in seinem Buch "Die Täuschung. Haben Katholiken die Kirche, die sie verdienen? Streitschrift zur Zwischenbilanz des Synodalen Wegs" darauf hingewiesen, dass die deutschen Bischöfe Erwartungen schüren, die nicht zu erfüllen sind. Lüdecke beschreibt Gesprächsprozesse wie den Synodalen Weg als Manöver, um "Druck aus dem Kessel" zu nehmen.
Wenn die deutschen Bischöfen nur unrealistische Erwartungen wecken, um den Unmut der Gläubigen versanden zu lassen, ist es nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht des Papstes, klarzustellen, wo die Grenzen des Synodalen Weges sind.
Matthias Krause, Singapur/Singapur
Problem sind die Reformverweigerer
Die ohne Absender verbreitete Erklärung zeigt, wie gefährlich die Kommunikationslücke zwischen Vatikan und der katholischen Kirche in Deutschland sowie die Störmanöver aus dem In- und Ausland gegen den Synodalen Weg geworden sind. Der Vatikan muss endlich die Gesprächskontakte zwischen dem Präsidium des Synodalen Weges in Deutschland und dem römischen Synodalbüro aufnehmen. Um ein Gegengewicht gegen die gezielten, von Angst getriebenen Störmanöver zu setzen, müssen alle wesentlichen Dokumente mehrsprachig sein.
Unbestritten ist, dass bei Fragen - wie Frauenordination, Zölibatspflicht, einer kirchlichen Zwei-Stände-Ordnung und bestimmter Fragen der Sexualmoral - der Synodale Weg in Deutschland keine Vorgaben für die Weltkirche machen kann. Aber die katholische Kirche in Deutschland stellt fundamentale strukturelle, theologische und menschenrechtliche Fragen, die nicht länger ignoriert werden können - auch nicht vom Vatikan. Denn in immer mehr Ländern kommen ähnliche Themen zur Sprache. Die Skandale, auf die der Synodale Weg in Deutschland Antworten sucht, wurden jetzt auch in Polen, Frankreich, Spanien, Italien sowie in anderen Teilen der Weltkirche offenbar.
Eine Gefahr für die Einheit und Zukunft der Kirche kommt nicht aus Deutschland, sondern geht von den Kräften in der Kirche aus, die sich Reformen verweigern. Diese Kreise haben keine Antwort auf die geistliche und sexualisierte Gewalt, die zu einem dramatischen Glaubwürdigkeitsverlust der Kirche geführt haben, und sind nicht bereit, sich mit den systemischen Ursachen zu befassen. So wichtig die von Papst Franziskus vorgegebene Grundlinie der Evangelisierung ist: Bevor die Aufarbeitung sexualisierter und spiritueller Gewalt nicht in Angriff genommen und strukturelle, theologische Konsequenzen gezogen werden, laufen alle Bemühungen der Evangelisierung ins Leere.
Christian Weisner, Dachau, Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche"
Etwas mehr Rückgrat!
Es ist wie in der Provinzposse. Wenn man jemand Unliebsamen beschädigen will, schreibt man einen anonymen Brief - vor allem, wenn man keine Argumente vorbringen kann. Andernfalls sucht man die offene Diskussion oder geht zur Polizei. Man unterstellt Halbwahrheiten nach dem Motto: Ein bisschen wird schon hängen bleiben. Dass der Synodale Weg der Kurie oder deutschen Kirchenoberen ein Dorn im Auge ist, ist kein Geheimnis. Aber ein bisschen mehr Rückgrat wäre schon angemessen, meine Herren! Man kann auch auf angestammten Überzeugungen beharren, bis die letzte Kirche leer ist und die Überweisungen aus Deutschland an die vatikanische Kasse versiegen.
Es bleibt die Hoffnung, dass ein Spaßvogel einen Briefbogen des Vatikans entwendet hat und damit ein katholisches Sommertheater inszenieren will.
Monika Tiggemann, Rüscheid
Protestantisierung bringt nichts
Dass die kritischen Stellungnahmen aus Rom und der Weltkirche zum Synodalen Weg reflexartig Empörung auslösen, war zu erwarten. Die Bedenken sind aber nicht falsch. Das deutet darauf hin, dass die Glaubwürdigkeitskrise der katholischen Kirche nicht mit dem Synodalen Weg überwunden werden kann. Selbst wenn Frauen zu Priestern geweiht würden, Pfarrer heiraten dürften und die Macht zwischen den Bischöfen und einer schwach demokratisch legitimierten Laienorganisation wie dem Zentralkomitee der Katholiken aufgeteilt würde, ist das für kaum jemanden, der der Kirche emotional entfremdet ist, Motivation zum Wiedereintritt. Die fast gleich hohen Austrittszahlen bei beiden großen christlichen Bekenntnissen zeigen, dass eine Protestantisierung der katholischen Kirche nichts bewirken wird.
Die zögerliche Aufarbeitung des Missbrauchsskandals muss durch rasche und großzügige Entschädigungen beschleunigt werden, im Bewusstsein, dass Geld nur anerkennt, nichts heilt. Die Bischöfe sollten sich weniger als Religionsbeamte, denn als Seelsorger für die Gläubigen und die Gesellschaft verstehen. Die Bischofskonferenz ist in der Pandemie stumm geblieben; kein Hirtenwort, wie einst zu jeder Bundestagswahl, sondern Pressemitteilungen, die nur eine Blase erreichen. Themen für die Glaubwürdigkeit christlicher Botschaft gäbe es zuhauf: das Konfliktpotenzial in einer heterogenen Gesellschaft, Reichtum und Armut, kirchliche Immobilien für bezahlbare Wohnungen, der drohende kalte Winter. Die Aufgabe der Bischöfe wäre, das Kirchenvolk darauf vorzubereiten, Stellung zu beziehen und Orientierung zu den Fragen formulieren, die der Bevölkerung wirklich auf den Nägeln brennen.
Die Aufgabe der Laien sehe ich nicht darin, bei der Besetzung von Bischofstühlen mitzukarten, sondern Salz der Erde zu sein in einer religionskritischen, glaubensfernen Gesellschaft, und zu zeigen, dass es sich durch persönliches Auftreten im Alltag immer noch lohnt, sich zu Jesus Christus und seiner Botschaft zu bekennen.
Dr. Bruno Schöpfer, München, Pfarrgemeinderatsmitglied St. Augustinus
Vom Vatikan abspalten
Wenn die katholische Kirche in Deutschland überleben will, muss sie sich vom Vatikan abspalten. Mit dem römischen Klub der Realitätsresistenten ist in einem aufgeklärten Land keine vernünftige, lebendige und menschengerechte Kirche (mehr) möglich. Da laut Bibel der Mensch nach dem Ebenbild Gottes geschaffen ist und man laut Jesus alles, was man einem Menschen antut, Gott antut, besteht Gottesdienst zwangsläufig im Dienst am Menschen. Solch zentralen Bibelaussagen werden vom Vatikan ignoriert, weil sie nicht zur Zementierung der Machtposition taugen. So zeigt der moralische Fußabdruck der katholischen Kirche auf der Erde, dass sie mindestens so viel seelische Zerstörung anrichtet, wie sie an Güte und Liebe in die Welt zu bringen vorgibt.
Nun "warnt" sie vor Beschlüssen des Synodalen Wegs. Und was will sie gegebenenfalls dagegen unternehmen? Mit Hölle und Fegefeuer lässt sich heute nicht mehr drohen. Vielleicht mit der Schweizergarde die Alpen überqueren? Ein paar Vertreter von "Wir sind Kirche" nach Rom einladen und dort verbrennen? Es ist an der Zeit, dass beseelte Katholiken den Machttrunkenen im Vatikan eine Abfuhr erteilen. Das wäre keine Sünde, sondern ein Sieg der Wahrhaftigkeit.
Michael Lohr, Ettringen
Alleingelassen
Ein absolutistisches Herrschaftssystem wie die katholische Kirche kann nicht mit apodiktischem Verhalten überraschen. Die Absage des Papstes an einen Synodalen Weg der Erneuerung entspricht klerikalen Gepflogenheiten. Kaum jemand nimmt Notiz von denen, die aus dem Geist der Botschaft aufrichtig, zweifelnd, suchend, Vertrauen wagend, Verlebendigung erfahren und anstoßen. Sie zählen nicht für die, denen sie qua Hierarchie unterstellt sind. Sie zählen auch nicht für die, die sich abwenden. Und die, für die die ganze Chose immer schon Humbug war, dürfen ihnen jetzt offen mit Verachtung begegnen, sich über sie lustig machen. Diese Kirche lässt alle allein, denen die Menschwerdung aus dem Geist der Liebe ein Anliegen ist, von dem sie nicht lassen wollen. Ihre Krankheit zum Tode ist ihre erbarmungswürdige Theologie der Angst.
Maria Zwack, Buchenberg
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