Kirche und Missbrauch:Kinderseelen und Kirchengeld

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Veruntreuen Priester Geld, werden sie beim Staat angezeigt. Machen sie sich sexuellen Missbrauchs schuldig, zögert und vertuscht die Kirche.

Kommentar "Beschwerliche Recherche" und Artikel "Die Akte der Namenlosen" vom 26. Oktober:

Der Kommentar und der dazugehörige Artikel über die Vorgänge im Piusheim und in anderen Einrichtungen der katholischen Kirche lesen sich wie eine Horrorgeschichte, leider ohne gerechtes und versöhnliches Ende. Kommentare könnten Seiten füllen, aber sie helfen vermutlich jetzt nicht mehr weiter. Dennoch einige Anmerkungen: Natürlich ist es "beschwerlich" wenn nicht fast unmöglich, nach so langen Jahren genügend Beweise für die Gräueltaten zu finden; ein Dank an die Staatsanwaltschaft, es dennoch versucht zu haben. Und vor allem Dank und Respekt an die Betroffenen, die sich den traumatischen Erlebnissen erneut gestellt und davon berichtet haben.

Der SZ-Autor schreibt zu den Aussagen von "Franz Mayer": "Entscheidend vorangebracht hat er die Ermittlungen zum einstigen Knabenheim in Baiern aber offenbar nicht." Das stimmt zwar, ist aber auch nicht die Aufgabe der Opfer. Es wäre vor allem die Aufgabe der katholischen Kirche gewesen, wenn sie schon die üblen Verbrechen in ihren Reihen nicht verhindern konnte oder wollte, an der Aufklärung tatkräftig mitzuwirken, und zwar bereits vor Jahrzehnten. Denn unbemerkt geblieben sind die Untaten gewiss nicht! Auch der Hinweis des Kommentators, dass es "in Zukunft darauf ankommt, dass sich möglichst viele Betroffene melden...", greift nicht weit genug. Allen Betroffenen wird doch seit Jahrzehnten vor Augen geführt, dass es absolut sinnlos ist, sich an sogenannte "Aufklärungsbeauftragte der Kirche" zu wenden. Stattdessen gibt es ständig neue Berichte, wie Transparenz und Information verzögert wird (zum Beispiel durch Erzbischof Woelki in Köln oder jetzt wieder durch Ex-Erzbischof Zollitsch in Freiburg). Nein, hier muss ein für allemal auch von der Kirche die Zuständigkeit der staatlichen Behörden anerkannt und schnell und sauber gehandelt werden.

Die Vergewaltigungen wurden "systematisch begangen". Spätestens mit Beginn der Ermittlungen zu diesen Vorgängen hätte die katholische Kirche als erstes Zeichen des guten Willens auf die Einrede der Verjährung verzichten und alle Akten den ermittelnden staatlichen Behörden übergeben müssen. In Kirchenarchiven werden Dokumente seit vielen Jahrhunderten aufbewahrt; ich kann mir deshalb nicht vorstellen, dass ausgerechnet alle Akten über die im fraglichen Zeitraum in den entsprechenden Einrichtungen lebenden und lehrenden Personen nicht mehr auffindbar sein sollen.

Leider muss man sagen, dass sich die Vorgänge um das Piusheim einreihen in eine unselige Kette von Missbrauchsfällen, Vergewaltigungen und Zerstörung von Kinderseelen durch Vertreter der katholischen Kirche. Nicht zu vergessen die Vorgänge um einen Priester in Eichstätt, der trotz Kenntnis seiner Untaten von einer Pfarrstelle zur anderen weitergereicht wurde. Dass Täter hier auch noch von ihren Vorgesetzten geschützt, gewarnt und vor der Strafverfolgung mit falschen Papieren außer Landes geschafft wurden, ist ein Skandal sondergleichen!

Was noch auffällt: In den letzten Jahren wurde berichtet von Priestern, die in Kassen griffen oder Geld veruntreuten. Erstaunlicherweise waren die Kirchenherren sehr schnell dabei, die schwarzen Schafe bei weltlichen (!) Ermittlungsbehörden anzuzeigen. Da liegt der Gedanke nahe, dass es in dieser Institution wichtiger ist, auf den Geldsäckel zu achten als auf Kinderseelen. Man möchte die Täter und die Mitverantwortlichen an den letzten Absatz ihres Glaubensbekenntnisses erinnern, in dem sich die katholische Kirche als "heilig" bezeichnen lässt. Weiters ist dort von "Vergebung der Sünden" die Rede. Soweit ich mich an den Religionsunterricht erinnere, ist heilig etwas ganz Anderes, und die Vergebung der Sünden gibt es auch nur bei tätiger Reue. Die kleinlauten Lippenbekenntnisse einiger Bischöfe, Kardinäle sowie eines emeritierten Papstes reichen hierfür nicht aus.

Elisabeth von Mahs, Moosach

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