Iran:Religion, Macht und Revolution

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Die Proteste in Iran gegen den Kopftuchzwang verfolgen viele SZ-Leser und -Leserinnen.

"Kopfsache" vom 5./6. November, "Ein wenig Hoffnung" vom 17. Oktober:

Die Macht der Männer

Fast alle Weltreligionen befassen sich in ihren (teils über 1000 Jahre) alten und neueren religiösen Schriften mit der Kopfbedeckung, speziell der Frauen. Ausgedacht und niedergeschrieben wurden diese Glaubenstexte meist von Männern. Sie bestimmten und bestimmen damit die Regeln, an die sich Gläubige zu halten haben. Eine Kleidervorschrift für Frauen, egal wie streng oder locker sie interpretiert wird, ist ein Machtinstrument der Männer gegenüber Frauen. Die Zwangsverschleierung der Frauen zeugt von einem monströsen Männerbild. Es spricht Männern jegliche zivilisierte Vernunft ab: Sobald nur ein paar Zentimeter Frauenhaut oder -haar zu sehen sind, scheint man die Mutation zu testosteron- und affektgesteuerten Bestien zu befürchten. Höchste Zeit, dass sich Männer davon befreien!

Gabriele Lauterbach-Otto, Überlingen

Kopftuchzwang für alle

Dem Zwang, in der Öffentlichkeit ein Kopftuch zu tragen, unterliegen im Iran nicht nur muslimische Frauen, sondern alle Frauen, gleich welchen Glaubens. Nach einer Umfrage der Forschungsgruppe Gamaan (2020) leben im Iran 32,2 Prozent schiitische und fünf Prozent sunnitische Muslime. Zudem gibt es zahlreiche religiöse Minderheiten (Juden, Christen, Zoroastrier oder Baha'i) sowie Agnostiker und Atheisten.

Die erste Frau, die in einer öffentlichen Versammlung ohne Kopftuch erschien, war übrigens die Dichterin Tahiri, eine Baha'i. Dafür wurde sie 1852 zum Tode verurteilt. Ihre letzten Worte waren: "Sie können mich töten, aber nicht die Emanzipation der Frau aufhalten!"

Yasmin Mellinghoff, Zorneding

Mehr als ein Stück Stoff

"Angeführt werden die Demonstrationen von Frauen, die sich gegen den staatlichen Kopftuchzwang wehren", so die SZ. Das trifft es nicht. Eines der zentralen Ziele der Islamischen Revolution von 1979 war: die Kontrolle der Frauen. Ihnen wurden alle Grundrechte entzogen, sie wurden sukzessive aus dem öffentlichen Leben und ihren Berufen entfernt, verstümmelt, gefoltert und öffentlich hingerichtet. Die betagte ehemalige Bildungsministerin Farrochru Parsa wurde brutal aufgeknüpft. Nagellack? Peitschenhiebe. Sandalen? Peitschenhiebe, Prügel. Frauenhaare: Verleihen Frauen Macht über Männer. So werden protestierende Frauen an den Haaren durch die Straßen geschleift. Die Liste ist lang. Im Prolog von Golineh Atais Buch nachzulesen.

Es geht um mehr als nur um ein Stück Stoff. Es geht mittlerweile um Grund- und Freiheitsrechte der gesamten Nation, um das Auflehnen gegen ein massiv kleptokratisches System, grausam und skrupellos, das nicht mal vor den Kindern haltmacht. Nieder mit der Islamischen Republik, Tod dem Diktator - das fordert das Volk unmissverständlich und kompromisslos.

Dr. med. Maryam Sarem-Aslani, Bergisch Gladbach

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