Afrikanische Kunst:Rückgabe erfolgreich?

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Benin-Bronzen, die in der Vergangenheit geraubt und an Nigeria zurückgegeben wurden, werden während einer Übergabezeremonie ausgestellt. (Foto: Olamikan Gbemiga/dpa)

Deutschland hat Benin-Bronzen an Nigeria restituiert. Jetzt sollen sie plötzlich dem Nachfolger des Königs gehören. SZ-Leser diskutieren, wie mit dem Weltkulturerbe umgegangen werden soll.

"Bronzen für Bonzen?" vom 8. Mai:

Ideeller Gewinn für Viele

Welch ein kleinliches Besitzdenken! Kunst sollte ein ideeller Kulturwert sein, der seine Bedeutung aus dem Vermitteln von Ideen bezieht, nicht ein materieller Geldwert, mit dem man Handel betreibt. Kunst soll für Kunstinteressierte da sein und gehört deshalb ins öffentliche Museum. So wie Fußball für seine Fans, nicht für Investoren da ist. Als Geldanlage in den Händen ignoranter Individuen wird eine Bronzeplastik unversehens zum goldenen Rolls-Royce. Sie ist nur noch ein Tauschobjekt. In einer von so kurzsichtiger Habgier geleiteten Welt hat man keine Zeit mehr, sich mit anderen Werten als dem geldwerten Tauschen zu beschäftigen. Das ist die unterste Ebene der Kultur.

Die Europäer mögen die afrikanische Kunst geraubt haben, aber sie haben sie meist einer breiten Öffentlichkeit in geschütztem Ambiente über Generationen hinweg zugänglich gemacht und verantwortungsvoll gepflegt. Diese Kulturleistung im Wortsinne gerät heute in Vergessenheit, weil zwei unterschiedliche Wertmaßstäbe für Kunst miteinander konkurrieren: materielle Bereicherung für wenige oder ideeller Gewinn für viele.

Wenn Kunstwerke konsequent und sorgfältig von Sachverständigen aufbewahrt werden, überdauern sie oft viele Jahrhunderte zur geistigen Bereicherung. Sollte man sich nicht dafür entscheiden? Brigitta Hauser-Schäublin kann man gut verstehen! Die "bedingungslose Rückgabe" fußt allein auf der juristisch-moralischen Erkenntnis, dass "räuberische Aneignung" überall Unrecht ist, das man wiedergutzumachen hat. Man könnte diese Entscheidung als "bedingungslose Kapitulation" vor dem Gesetzbuch bezeichnen.

Kuratorische Erkenntnisse zum adäquaten Umgang mit Kunstgegenständen sind von der materialistischen Denkweise der Juristen und Ökonomen in den Hintergrund gedrängt worden. Historisch gesehen stammt das Besitzdenken aus der egoistischen Adelsgesellschaft, die sich im imitierenden Besitzbürgertum des 19. Jahrhunderts fortsetzte; beiden ausgrenzenden Klassensystemen ist der Begriff Solidarität fremd. Daher gehört Kunst oft nicht der Solidargemeinschaft, sondern ist vielfach immer noch Privatbesitz. Selbst bereits öffentlicher Kunstbesitz weckt in gesellschaftlich unterentwickelten Clanstrukturen das Verlangen nach privater Bereicherung, wie das Beispiel Grünes Gewölbe in Dresden zeigt. Das führt zu Erich Fromms Frage von 1976: Haben oder Sein? Habe ich ein Kunstwerk oder bin ich ein Kunstfreund?

Dr. Dietrich W. Schmidt, Stuttgart

Neokolonialimus pur

Kwame Opoku hat recht: Wenn schon Rückgabe von ehemals mit militärischer Gewalt aus dem Königreich Benin geraubter Kulturgüter angezeigt ist, dann bitte an die tatsächlichen Eigentümer und nicht an die später auf den Wurzeln verbrecherischer kolonialistischer Regime aufbauende moderne Staatsführung. Die "Benin-Bronzen" sind also dem Oba von Benin und nicht dem Staat von Nigeria auszuhändigen!

In den Diskussionen, die sie referieren, offenbaren westliche Politiker und ihre Anhänger ihre nachwirkende kolonialistische Haltung, indem sie die Regierung Nigerias als Bewahrer von kulturellen Traditionen politisch und finanziell unterstützen anstatt die traditionellen Kulturträger in den verschiedenen Völkern Nigerias. Wenn man etwas großzügig zurückgegeben hat, wie das Berliner Ethnologische Museum, und sei es auch an den falschen Empfänger, mischt man sich anschließend gefälligst nicht mehr in den weiteren Umgang mit den restituierten Gegenständen ein. Zurückhaltung wäre eine bessere Politik als das kaum verdeckte neokolonialistische Vorschreiben, was mit den restituierten Gegenständen zu geschehen habe, wie es unsere Regierung einschließlich der "Kulturstaatsministerin" praktiziert. Lang lebe der Oba von Benin, den man hier offenbar aus politischem Opportunismus übergeht!

Prof. Dr. Berthold Riese, Germering

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