Generationenkapital:Wenn der Staat an die Börse geht

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(Foto: Denis Metz)

Woher soll das Geld für die Rentnerinnen und Rentner kommen? Die Ampel will die Beiträge für die Jüngeren erhöhen - und künftig in Aktien investieren. Überwiegen die Chancen die Risiken? Die SZ-Leser sind uneins.

"Wer das Rentenpaket der Ampel bezahlen soll" vom 9. März und Kommentar "Die Jungen zahlen" vom 7. März:

Nachhaltig anlegen

Der Kommentar "Die Jungen zahlen" beschreibt die Pläne der Bundesregierung zum Rentenpaket als höchst ungerecht, weil die finanziellen Lasten, die das Paket in Form höherer Rentenbeiträge mit sich bringt, den jüngeren Generationen aufgebürdet werden. Dass sich das in dem Beitrag durchaus positiv bewertete sogenannte Generationenkapital noch auf eine ganz andere Weise negativ auf die jüngeren Generationen auswirken kann, lässt der Kommentar jedoch außer Acht.

Mit dem Generationenkapital wird der deutsche Staat mittelfristig in bedeutendem Ausmaß als Aktionär und Investor auftreten. Eine wirklich zukunftsfähige Ausgestaltung der Anlagepraxis würde dabei Investitionen in Aktien von Unternehmen, deren Geschäft auf fossilen Brennstoffen beruht, von vornherein ausschließen. Denn es sind die Aktivitäten solcher Unternehmen, die angesichts der sich immer weiter zuspitzenden Klimakrise die Zukunftschancen der jüngeren Generationen fortgesetzt untergraben. Bei bereits bestehenden staatlichen Fonds wird die Bundesregierung ihrer Verantwortung bislang nicht gerecht. So investiert der Bund beispielsweise mehr als eine halbe Milliarde Euro aus seinen Versorgungsrücklagen für die Pflegeversicherung und die Beamtenpensionen in klimaschädliche Aktien der Fossilindustrie, wie Recherchen des ARD-Magazins "Panorama" im Jahr 2022 zeigten. Beim Generationenkapital würden diese Summen um ein Vielfaches höher ausfallen.

Dass solche Fehler vermeidbar sind, zeigen die positiven Beispiele anderer öffentlicher Investoren. Der häufig als Vorbild für das Generationenkapital gehandelte norwegische Staatsfonds setzt beispielsweise schon lange Maßstäbe, indem er sich seit 2015 aus den klimaschädlichen Industrien Öl, Gas und Kohle zurückzieht. Bisher ist in dem Gesetzesentwurf zum Generationenkapital noch nichts davon zu sehen. Noch hat die Bundesregierung aber die Chance umzusteuern, von Beginn an Fehlfestlegungen zu vermeiden und verantwortungsbewusst im Sinne künftiger Generationen zu handeln.

Dr. Ulrich Kleinwechter, Berlin

Aktieninvestment auf Pump

Ein Begriff wie "Generationenkapital" löst Skepsis aus. Seriöse Finanzberater würden ihren Kunden doch davon abraten, Aktien auf Kredit zu kaufen. Die Bundesregierung schlägt diesen Rat aber in den Wind, vertraut auf niedrige Kreditzinsen und geht zugleich von optimistischen Dividenden aus. Umgerechnet auf die einzelne Rente dürften die Einnahmen, die der Bund an den Börsen erwirtschaftet, im Idealfall wenige Euro im Monat ausmachen. Im schlechtesten Fall könnte das beim Staat zu Verlusten führen.

Wäre es nicht sinnvoller, den Einstieg in die Kapitalrente im Umfang allenfalls mit erwirtschafteten Erträgen aus Unternehmensbeteiligungen des Staates vorzunehmen? Und was ist mit der Idee, individuelle Lösungen der Bürgerinnen und Bürger wie den Kauf von Indexfonds steuerlich zu begünstigen? Und bevor man die jüngere Generation auf Dauer mit hohen Rentenbeiträgen belastet, sollten Tabus wie Erbschafts-, Kapitalertrags- und Vermögensteuer, aber auch Automatisierungs- oder Robotersteuer einbezogen werden.

Rolf Sintram, Lübeck

Lasst Beamte einzahlen!

Wieder mal ein hochkomplexer, nicht unbedingt zu Ende gedachter Kompromissvorschlag zur Stabilisierung der Rente mit einer "dritten Säule": Zusätzliches Geld soll nun über die Börse in die Rentenkassen kommen. Wenn schon die Finanzmärkte einbezogen werden sollen, warum nicht als Beispiel das relativ gut funktionierende schwedische Modell, wo die Beitragszahler 2,5 Prozent ihres Einkommens am Kapitalmarkt investieren müssen. Sie können dabei frei unter verschiedenen Fonds wählen - oder das Geld fließt in einen Staatsfonds.

Viel einfacher und effektiver ist natürlich der Vorschlag der VdK-Präsidentin Verena Bentele, die gesetzliche Rentenversicherungspflicht endlich für alle Beschäftigten - also auch für unsere Beamtinnen und Beamten einzuführen. Leider scheuen sich alle Parteien schon seit Jahrzehnten, diesen Schritt zu wagen, da man ja dieses riesige Wählerpotenzial nicht verschrecken will. Welch eine feige Haltung!

Heinrich Schwab, Stockdorf

Achterbahnfahrt der Kurse

Rien ne va plus: Geld über Anlagen auf dem Kapitalmarkt beschaffen, heißt auch Aktien kaufen. Wobei Kurse manchmal auf Achterbahnfahrt sind. Da können die Herren Christian Lindner und Hubertus Heil auch direkt nach Monaco fahren und dort ihr Glück am Roulettetisch versuchen.

Warum wird nicht wie woanders die Reichensteuer eingeführt? Warum werden nicht Steueroasen ausgehungert und Subventionen an stinkreiche Konzerne gestoppt? Das wäre zielführender. Aber mit der Minipartei FDP geht das natürlich nicht.

Norbert Kemp, Regenstauf

Ungewisse Zukunft

Aussagen über die Zukunft der Renten sind nicht mehr als Prognosen. Besonders in einem Umlagesystem wie dem unseren. Die landläufige Vorstellung, man habe sich im Laufe eines Arbeitslebens einen ganz bestimmten Rentenanspruch erworben, ist einfach falsch. Denn es kann jedes Jahr nur so viel an Renten verteilt werden, wie an Beiträgen hereinkommt.

Nachdem immer weniger Beitragszahler für je einen Rentenempfänger aufkommen müssen, gibt es ein mit den Jahren wachsendes Verteilungsproblem. Man wird wohl einerseits die wenigen Beitragszahler mehr als bisher schröpfen, andererseits aber auch die Rentner kürzer halten müssen. Der Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung muss langsamer steigen als die Wirtschaftsleistung, damit der Lebensstandard der Rentner nicht zu stark sinkt. Dieses Gleichgewicht muss im Grunde immer wieder neu gefunden werden. Man kann nicht schon heute sagen, was in 20 Jahren sein wird. Das wird zum Beispiel davon abhängen, wie viele ausländische Arbeitskräfte zu uns kommen, aber auch von der Erwerbsquote der Frauen, dem durchschnittlichen Rentenalter und der Lebenserwartung. Und natürlich könnte es auch sein, dass sich die Vorstellungen davon, welche Lastenverteilung zwischen den Generationen gerecht ist, mit der Zeit ändern werden.

Axel Lehmann, München

Dringendes und Wichtiges

Ich habe vor vielen Jahren in einer Fortbildung eine sogenannte Dringlichkeit-Wichtigkeits-Matrix kennengelernt, nach der momentan unwichtige Dinge dann an Bedeutung gewinnen, wenn sie dringend werden. Aus diesem Grunde verstehe ich sehr wohl, wie man heute, da die Babyboomer nach und nach in Rente gehen, auf einmal in mehr oder weniger hektische Aktivitäten übergeht ob der sich auftürmenden Probleme. Obwohl es seit Jahrzehnten offensichtlich ist, dass sich ein Problem auftun wird. Vor allem: Das Problem wird umso größer, je länger man damit wartet, Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Jetzt, da im demokratischen Deutschland zunehmend ältere Menschen leben, die sicherlich nicht für irgendeine Einschränkung ihrer Altersbezüge stimmen werden, haben wir den Salat: Einerseits kann und will man die älteren Wähler nicht durch eine Absenkung des Rentenniveaus vergraulen, andererseits verbietet es sich, die staatlichen Zuschüsse zur Rentenversicherung in unfassbare Höhen steigen zu lassen. Also bleibt nur, die Jüngeren zur Kasse zu bitten. Diese Entwicklung war seit Jahrzehnten absehbar: Vor Jahrzehnten schon wichtig, aber leider nicht dringend, sodass man meinte, sich Zeit lassen zu können. Wichtige, aber nicht dringende Dinge, müssen baldmöglichst angegangen werden, denn irgendwann werden sie dringend, und dann ist es zu spät.

Was wäre denn dabei gewesen, die Babyboomer an dem Aufbau einer vernünftigen Finanzierung ihrer zukünftigen Rente zu beteiligen, indem man beispielsweise frühzeitig darauf hingewiesen hätte, dass das zukünftige Rentenniveau sinken muss, wenn es finanzierbar sein soll. Dann hätte man privat Vorsorge treffen können, indem man beispielsweise auf eine Fernreise verzichtet und das gesparte Geld in die Altersvorsorge investiert. Aber nein, man hat viele Jahre die Menschen in Deutschland darin bestärkt, dass sie quasi im Paradies leben und sich um ihre Zukunft keine Sorgen zu machen brauchen.

Erich Würth, München

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