Drogenpolitik:Verkifft

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(Foto: Karin Mihm)

Eine SZ-Kommentatorin begrüßt grundsätzlich die teilweise Freigabe von Cannabis. Das Urteil der Leserinnen und Leser fällt dagegen deutlich kritischer aus.

Kommentar "Es darf gekifft werden" vom 24. Februar:

Wer erstellt solche Regeln?

Volljährige dürfen künftig also 50 Gramm Cannabis besitzen und in ihrem Zuhause aufbewahren, im öffentlichen Raum dürfen jedoch nur 25 Gramm mitgeführt werden. Ebenfalls dürfen zu Hause drei Pflanzen angebaut werden. Ergibt die Ernte mehr als 50 Gramm, muss alles, was darüber ist, sofort vernichtet werden. Wer erstellt solche Regeln? Sind das wirklich Menschen aus Fleisch und Blut, oder war da eine schlecht programmierte KI bei der Gesetzgebung im Spiel? Glaubt wirklich jemand, dass jede Ernte über 50 Gramm sofort, mit der Betonung auf sofort, vernichtet wird? Wer kontrolliert, dass die Regeln eingehalten werden?

Ich denke da an unseren Nachbarjungen, der vor circa 20 Jahren auf dem Balkon Cannabis angepflanzt hat. Hätte ich das Gewicht seiner Ernte kontrollieren und gegebenenfalls "sofort" vernichten müssen? Und, liebe Kiffer, haltet auf jeden Fall den Abstand von 100 Meter Sichtweite zu Spielplätzen, Schulen, Kitas, Jugendeinrichtungen und Sportstätten während der Inhalationen des beliebten Krautes. Sonst macht Ihr Euch strafbar.

Monika Rumpfinger, München

Warnender Blick in die Niederlande

Mir erschließt sich nicht, warum zur Droge Alkohol noch weitere Drogen legalisiert werden müssen. Außerdem sind die Bestimmungen im Cannabis-Gesetz so kleinteilig, dass eine Kontrolle gar nicht möglich ist. Wer soll denn die Menge der Cannabispflanzen zählen, die zum Beispiel SZ-Redakteure bei sich zu Hause züchten? Dass die organisierte Kriminalität geschwächt wird, ist eine Illusion. Es reicht ein Blick in die Niederlande, wo die Drogenbanden stärker und brutaler sind als je zuvor.

Dr. Hans Jungk, München

Hoffentlich scheitert das Gesetz

Der Bundestag hat einem sehr fehlerhaft erscheinenden Gesetz zur teilweisen Freigabe des Rauschgiftes Cannabis zugestimmt. Durch den Konsum wird bis zu einem Alter von 25 Jahren das Gehirn bleibend geschädigt. Dennoch wird die Droge schon ab einem Alter von 18 Jahren freigegeben. Wie kann das sein? Zum Ausgleich wird vom zuständigen Minister versprochen, über die schädlichen Folgen aufzuklären. Wurde das bisher schuldhaft versäumt?

Weiterhin wird im Gesetz fein säuberlich eine Höchstmenge für den Besitz und den Verbrauch vorgegeben. Das erscheint bedeutungslos, weil nicht nachzuprüfen. Und auch bei einer Nachprüfung selbst mit Hausdurchsuchung wäre nicht zu erkennen und zu beweisen, ob die aufgefundene Menge die erste und einzige Menge ist oder die zweite oder soundsovielte. Außerdem soll die Freigabe schon zum 1. April in Kraft treten. Sehr bald also, bis dahin könnte der Stoff noch nicht ausreichend legal verfügbar sein. Also ein riesiges Geschäft für die Dealer, die doch ausdrücklich ausgeschaltet werden sollten. Hoffentlich wird dieses Gesetz noch scheitern.

Dieter Reich, München

Jugendschutz schwer zu kontrollieren

Der Deutsche Richterbund warnt davor, dass mit dem Cannabisgesetz eine Mehrbelastung für die Strafjustiz kommen würde. Mediziner können von Cannabis nur abraten: Wer früh und viel kifft, habe ein deutliches Risiko für Psychosen, auch viele Jahre später. Eine weitere Folge kann eine größere Anfälligkeit für Abhängigkeitserkrankungen aller Art sein. Die Risiken dürften auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach bewusst sein.

In Kiel hat die Stadt kürzlich in Testkäufen geprüft, ob Jugendliche in den Geschäften Alkohol, Tabak oder elektrische Zigaretten bekommen. Über die Hälfte der geprüften Händler verstießen dabei gegen das Gesetz. Vermutlich werden Jugendliche in Zukunft auch Cannabissamen für den Anbau problemlos kaufen können.

Dirk Wanke, Kiel

Weltfremdes Gesetz

Ich sehe meine 21-jährige Tochter Johanna nun schon bald als stolze Plantagenbesitzer, wie sie auf unserer Terrasse im Schatten ihrer drei gesetzlich geschützten Pflanzen tiefenentspannt und zünftig ihren ersten Erntedank feiert - und meiner jüngsten Tochter, minderjährig, mit hochgehaltenem Gesetzestext den Probezug an der Tüte verweigert. Dieses weltfremde Gesetz wirkt, als sei es aus Gehirnen gekrochen, die durch jahrzehntelanges Kiffen die Welt schon lange nur noch durch Nebel wahrnehmen können.

Stephan Ewald, Köln

Psychosen, Depressionen, Angststörungen

Als Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie möchte ich zur Diskussion um die geplante Freigabe von Cannabis Folgendes anmerken: Schon jetzt sind die gesundheitlichen Auswirkungen von Cannabis auf die seelische Gesundheit von Jugendlichen ein ernstes Problem. Gut belegt ist nicht nur, dass der Konsum Psychosen auslösen kann. Wir wissen auch um das vermehrte Auftreten von Depressionen und Angststörungen und besonders des sogenannten amotivationalen Syndroms: Leistungsminderung und Antriebsstörungen bis hin zur Gleichgültigkeit erschweren dabei die schulische und berufliche Ausbildung massiv. Statt leidenschaftlich für die Versorgung der Bevölkerung mit Drogen zu kämpfen, wäre es wünschenswert, unser Bundesgesundheitsminister würde sich für die ausreichende Bereitstellung wichtiger Medikamente einsetzen. Diese nämlich sind immer schwerer zu beschaffen.

Dr. Johannes Wilkes, Erlangen

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