Leserbriefe:Der Amtsschimmel wiehert unverständlich

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Wenn das Amt klar kommuniziert: Wegweiser im KVR. (Foto: Florian Peljak)

Wer versteht die Verwaltungssprache von Behörden? SZ-Leser und -Leserinnen bewerten die Kommunikation von Ämtern und anderen Stellen.

"Klartext, bitte!" vom 8./9. Juli:

Arroganz der Verwaltung

Wer kann heute noch einen Gesetzestext verstehen, wenn er nicht Jurist und Fachanwalt ist. In allen Bereichen des täglichen Lebens kann man das beobachten. Ich habe als Sachverständiger einer Gebäudeversicherung sehr viel von unseren Hausjuristen lernen können. Mir hat es später als selbständiger öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger bei Gerichtsgutachten sehr geholfen.

Was noch hinzukommt, ist oftmals die Arroganz der Verwaltung gegenüber einfachen, weniger gut gebildeten und ausgebildeten Menschen. Zufällig habe ich so nebenbei an der Bürokratie verzweifelten Menschen helfen können. Manchmal habe ich einfach spontan die Verhandlungen übernommen und sehr schnell zu einem guten Ende führen können.

Eine betroffene Frau sagte mir: "Wenn die Verwaltung nur ein Mal mit mir so wie mit Ihnen gesprochen hätte, hätte ich das Baugebiet nicht jahrelang mit Einsprüchen blockiert." Ein anderes Mal reichte es schon, dass ich jemand aufs Rathaus begleitete, um die vorher versagte Sozialwohnung sofort zu bekommen.

Die gute Sprache ist ein wichtiger Baustein zum Erfolg. Es war schon immer so, aber heute noch ausgeprägter. Die Sprache kann auch ein Ausgrenzungsmerkmal sein. Für mich wird die unverständliche Sprache von deutschen Behörden und Politikern bewusst eingesetzt, um Ansprüche abzuwehren und den eigenen Status zu heben und zu bewahren.

Dietrich Borchert, Walldorf

Bizarre Bürokratie

Was für Stilblüten! Doch ganz abgesehen von der ja durchaus zweifelhaften Repräsentativität der zum Besten gegebenen Textpassagen: Dass Gesetzesanwender (m/w/d) - in der Verwaltung wie in der Justiz - gesetzliche Begrifflichkeiten verwenden, ist juristisch schlicht und einfach selbstverständlich; was denn sonst?

Die lange gewachsene - teils auch gewucherte - Gesetzeslandschaft, deren Schöpfer im Übrigen gewählte Volksvertreter sind, bildet freilich ihrerseits eine immer komplexer gewordene Lebenswirklichkeit ab. Die sie regelnden Normen wie auch deren Umsetzung können daher kaum mehr in gefälligem Alltagsjargon daherkommen, ohne inhaltlich entscheidend an Substanz zu verlieren. Und wer will es den Gesetzesanwendern ernsthaft verargen, wenn sie darauf aus sind, möglichst rechtssicher zu formulieren? Vorschlag zur Güte: Bei Rechtssetzung und -anwendung möglichst nach folgender (allerdings amtssprachefremder) Devise vorgehen: Keep it safe and simple!

Stefan Papsthart, Verwaltungsjurist, Günzburg

SoKo Sprache

Ich kann diese Einstellung aus eigener Erfahrung beurteilen. Bis zu meiner Rente war ich bei einer großen deutschen Krankenkasse als Organisator tätig. Schon in den 1990er-Jahren wurde die Problematik der speziellen Behördensprache erkannt. Es wurde in unserer Kasse ein Projektteam eingesetzt, das alle Formulare auf Verständlichkeit für die Krankenkassenmitglieder überprüfte.

In Zusammenarbeit mit den betroffenen Fachabteilungen wurden die Formulare so gestaltet, dass jedes Kassenmitglied (unabhängig vom Formular) entnehmen konnte, was die Kasse von ihm wollte. Das Projekt scheiterte. Angeblich wurde durch die Klarheit der Sprache die Rechtssicherheit gefährdet, so die hauseigene Rechtsabteilung.

Uwe Mehl, Hamburg

Kein gutes Beispiel

Dass sich die Behörden verständlich ausdrücken sollten, wird immer wieder mal thematisiert, und dem kann nur zugestimmt werden. Dabei allerdings den Strafbefehl als Beispiel gekünstelter, schwer verständlicher Sprache herauszuheben, halte ich für verfehlt. Dem Beschuldigten wird damit die Möglichkeit gegeben, sich einen oft unangenehmen, zeit- und kostenintensiven Auftritt vor Gericht zu ersparen. Ein Strafbefehl setzt hinreichenden Tatverdacht voraus und stellt kein "Gesprächsangebot" der Strafjustiz dar.

Der/die Amtsrichter/in hat zu prüfen, ob eine Verurteilung nach Aktenlage sehr wahrscheinlich ist und kann den Strafbefehl nicht nach dem Motto "schaun wir mal, ob er/sie es schluckt und ich mir weitere Arbeit erspare" erlassen. Nach meiner langjährigen Erfahrung weiß der Beschuldigte schon, was er getan oder nicht getan hat und ob und wie er sich im Strafbefehlsverfahren zu verhalten hat. Am sprachlichen Verständnis scheitert sein Verzicht auf einen Einspruch in der Regel nicht. Man kann das Verfahren als oberflächlich kritisieren und es soll in der Tat die Gerichte entlasten. Aber als Paradebeispiel unverständlicher (Rechts-)Sprache taugt es weniger.

Josef Meisinger, Rechtsanwalt, Füssen

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