Wirtschaftskrise und Bewerbungen:Augen auf und durch

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2009 ist kein gutes Jahr für Hochschulabsolventen: Stellen Firmen überhaupt noch ein, dann nur Bewerber mit Berufserfahrung. Wer jetzt von der Uni kommt, braucht einen Plan B.

C. Demmer

An übermäßigen Gefühlsschwankungen hat Maximilian Frechen noch nie gelitten. Aber in diesem Sommer wechseln die Hochs und Tiefs des 26-jährigen Frankfurters fast im Tagesrhythmus. "Einerseits bin ich heilfroh, mit der Diplomarbeit endlich durch zu sein", beschreibt der angehende Betriebswirt seine Stimmungslage. "Andererseits mache ich mir Sorgen, keinen Job zu finden und mich womöglich von Praktikum zu Praktikum hangeln zu müssen. Denn nach dem, was ich von den anderen mitkriege, steht mir genau das bevor."

Bewerben mitten in der Wirtschaftskrise: Selbst Einserkandidaten müssen heute weitaus mehr Bewerbungen schreiben als noch vor einem Jahr. (Foto: Foto: dpa)

Dieses Jahr ist kein gutes Jahr für Hochschulabsolventen. Sämtlichen Prognosen zufolge wird die Wirtschaftskrise im Herbst den Arbeitsmarkt im Griff haben, und zwar fester, als sich das die meisten Studienanfänger vor vier, fünf Jahren gedacht hatten. Eine Studie der Hochschule Furtwangen und des Personaldienstleisters Promerit bestätigt das. Darin geben 289 Unternehmen Auskunft darüber, wie die wirtschaftliche Lage ihr Recruiting beeinflusst. Das Ergebnis fasst Studienleiter Armin Trost mit kargen Worten zusammen: Die Arbeitssuche sei 2009 "deutlich schwieriger geworden".

Auf Sicht fahren

Es werde zwar noch rekrutiert, geben die von ihm befragten Firmen an, doch man suche vor allem berufserfahrene Kräfte. Fast jedes zweite Unternehmen will nur mehr "für strategisch wichtige Bereiche" einstellen, ein Drittel äußert sich überhaupt nicht zum künftigen Personalbedarf. Das bedeutet: Immer mehr Firmen, Konzerne wie Mittelstand, planen sehr kurzfristig.

Experten raten daher den Neuankömmlingen auf dem Arbeitsmarkt, in der nächsten Zeit ebenfalls auf Sicht zu fahren. Das kann bedeuten, sich neben der Wunschbranche und dem Traumjob ein paar akzeptable Ausweichmöglichkeiten zu überlegen. Meist verengt sich das Blick- und Suchfeld der Studenten zum Examen hin auf wenige bevorzugte Einsatzbereiche. Wenn hier aber die Zahl der freien Stellen gegen null geht, muss sich der Blick wieder öffnen. Dabei kann die Erinnerung an spannende Fächer aus zurückliegenden Semestern oder an studentische Nebentätigkeiten helfen. Hin und wieder lässt sich sogar aus dem Hobby heraus eine Idee für die erste Stelle generieren.

In die Breite denken

Wer zum Beispiel in die Wirtschaftsprüfung strebt und die Tore der großen Firmen geschlossen sieht, könnte auch seine Karriere bei einem Steuerberatungsbüro, im Rechnungswesen eines Konzerns oder im Controlling eines fitten Mittelständlers beginnen und in besseren Zeiten den großen Wechsel versuchen. Laborarbeitsplätze für Mediziner, Chemiker und Biologen gibt es nicht nur in Kliniken und Forschungseinrichtungen, sondern auch in der Lebensmittelindustrie, in der Pharmawirtschaft, in der Kosmetikindustrie und bei Herstellern von Tiernahrung.

Geisteswissenschaftler sollten ohnehin während ihres Studiums gelernt haben, in die Breite zu denken. Das kommt ihnen jetzt bei der Suche nach einem Einstiegsjob zugute. Selbst Juristen stehen mehr Wege offen als der Staatsdienst und die Privatkanzlei. Denn benötigt werden sie auch in Industrie, Handel und Dienstleistung, in der Touristik, bei Energieversorgern und Versicherungen.

Auf der nächsten Seite: Plan B: Für gute Bachelors bietet sich das Masterstudium, für fertige Master das Promotionsstudium an. Nur - lohnt sich die zeitliche und finanzielle Investition tatsächlich?

Strategisch denken

Allerdings sollte man sich nicht der Illusion hingeben, man müsse nur genügend Bewerbungsmappen verschicken, und es werde schon etwas mit dem perfekten Einstieg. Aus Blogs und Webforen wie www.wiwi-treff.de lässt sich ablesen, dass selbst Einserkandidaten heute weitaus mehr Bewerbungen schreiben müssen als noch vor einem Jahr, bis sie mit einem Arbeitgeber handelseinig sind. Strategisch denkende Studenten haben daher parallel zum Bewerbungsmarathon einen Plan B parat.

Für gut benotete Bachelors bietet sich das Masterstudium, für fertige Master das Promotionsstudium an. Nur sollte man zuvor gründlich prüfen, ob sich die zeitliche und finanzielle Investition tatsächlich lohnt. Jetzt wäre auch ein günstiger Zeitpunkt für das lang geplante, aber immer wieder aufgeschobene Auslandssemester. Warum nicht in Kombination mit dem Master oder dem Doktorhut? Kritisch zu hinterfragen ist allenfalls, ob ein Zweitstudium in einem entfernten Fachgebiet die Berufschancen verbessert. Immerhin ist man am Ende wenigstens drei Jahre älter geworden - und tritt damit in der nächsten Bewerbungsrunde gegen eine erheblich größere und vor allem jüngere Konkurrenz an.

In der Praktikumsschleife

Bleibt am Ende noch die Praktikumsschleife, in die sich Studenten wie Maximilian Frechen oft nur ungern eingebunden sehen möchten. Doch auch bei den Praktika gibt es solche und solche: bezahlte und unbezahlte, zwei oder sechsmonatige, mit einem Mentor oder allein auf sich gestellt, mit oder ohne Eigenverantwortung, vertraglich in einen Eintrittsjob mündende und betriebliche Schnupperphasen mit offenem Ausgang. Die Bandbreite zwischen Ausbildung und Ausbeutung ist hoch. Je mehr Details jedoch vor Beginn des Praktikums angesprochen und schriftlich vereinbart werden, desto geringer ist das Risiko einer Enttäuschung.

Stichwort Enttäuschung: Vor Antritt des Praktikums wird man einen unbekannten Arbeitgeber schwerlich dazu verpflichten können, anschließend einen Arbeitsvertrag anzubieten. Denn natürlich wird er erst prüfen wollen, mit welcher Art Mitarbeiter er es zu tun bekommt. Selbstsichere Kandidaten bestehen deshalb auch gar nicht darauf, sondern kündigen nur die Frage an. Der formal korrekte Zeitpunkt dafür ist etwa nach Ablauf eines Drittels der Praktikumsdauer. Doch der psychologisch beste Tag ist derjenige, an dem das zweite dicke Lob ausgesprochen wird. Das bezeugt nämlich nicht nur die Tagesform, sondern zieht auch eine positive Bilanz.

© SZ vom 22.8.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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