Weiterbildung:Was, wenn bald ein Roboter meinen Job macht?

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Wenn intelligente Maschinen bald viele Jobs erledigen, müssen die Arbeitnehmer von heute neue Aufgaben übernehmen. Die Bundesagentur für Arbeit soll deshalb Weiterbildungen für deutlich mehr Menschen fördern. (Foto: imago/Ikon Images)

Damit möglichst viele Menschen mithalten in der digitalen Berufswelt, will Arbeitsminister Heil Weiterbildungen stärker fördern. Er plant Beratung für Arbeitnehmer und finanzielle Anreize für Firmen.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Nach der Kabinettssitzung am Mittwoch hatte es Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nicht weit zum nächsten Termin: Vom Kanzleramt hinüber zum Berliner Hauptbahnhof sind es nicht einmal 500 Meter. Dort ließ sich Heil von Auszubildenden der Deutschen Bahn erklären, wie sie zu ihrem Beruf gekommen sind, wie die Bahn durch Weiterbildungs- und Chancenprogramme Jugendlichen Perspektiven bietet. Der Minister erfuhr auch, dass der Konzern schon vor fünf Jahren einen Qualifizierungsfonds über 250 000 Euro aufgelegt hat, um Mitarbeitern ein berufsbegleitendes Studium zu ermöglichen. Das passte gut in Heils Programm, hatte das Kabinett doch gut eine Stunde zuvor einem Gesetzesvorhaben aus seinem Haus zugestimmt: dem Qualifizierungschancengesetz.

Was steckt hinter dem Wortungetüm? Und was haben die Arbeitnehmer hierzulande davon? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Worum geht es?

Angesichts der Digitalisierung und des damit verbundenen Strukturwandels treibt viele Arbeitnehmer die Frage um, ob es ihren Job und vielleicht sogar ihren ganzen Beruf in ein paar Jahren noch geben wird. Und was sie tun müssen, um in einer Arbeitswelt mit intelligenten Robotern, selbstfahrenden Gabelstaplern und Lastern, denkenden Maschinen und vernetzten Produktionssystemen bestehen zu können. Heil setzt auf Qualifizierung und Weiterbildung. Sein Gesetzentwurf, der nun in die Bundestagsberatung gehen wird, sieht deshalb einen erleichterten Zugang zu Weiterbildungsangeboten für Beschäftigte vor und eine großzügigere Förderung von Unternehmen, die ihre Mitarbeiter schulen.

Was ist konkret vorgesehen?

Künftig soll die Weiterbildung von deutlich mehr Arbeitnehmern mit Geld von der Bundesagentur für Arbeit (BA) gefördert werden können - und zwar "unabhängig von Ausbildung, Lebensalter und Betriebsgröße", wie es im Gesetzentwurf heißt. Förderkriterium ist nur noch, dass der eigene Job vom Strukturwandel betroffen ist oder gar überflüssig werden könnte. Es geht Heil dabei vor allem um jene berufliche Tätigkeiten, "die durch Technologien ersetzt werden können".

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Ebenfalls förderfähig sind Weiterbildungen für Berufe, in denen der Bedarf an Personal größer ist als das Angebot, beispielsweise Pflegekräfte oder Erzieher. Außerdem soll die Nürnberger BA künftig auch in größerem Umfang Zuschüsse zum Arbeitsentgelt zahlen, wenn ein Mitarbeiter für eine Weiterbildung abwesend ist. Für Mitarbeiter stiegen damit im besten Fall die Erfolgsaussichten, wenn sie beim Chef um eine Weiterbildung bitten - denn die Kosten für die Firma sind im Zweifel geringer.

Sind die Arbeitgeber fein raus?

Das ist in der Tat ein wunder Punkt von Heils Gesetzesvorhaben. Denn die Wirtschaft investiert schon jetzt Milliarden in Weiterbildung; es besteht also die Gefahr von Mitnahmeeffekten. Allerdings ist in dem Entwurf vorgesehen, dass eine Weiterbildung nur dann gefördert wird, wenn sich auch der Arbeitgeber an den Kosten beteiligt. Allerdings gibt es bei dem Thema je nach Betrieb große Unterschiede. Während viele Konzerne ihren Mitarbeitern diverse eigene Programme anbieten, haben kleinere Firmen dazu oft nicht die Kapazitäten. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände beziffert die jährlichen Weiterbildungsausgaben der Unternehmen auf 33 Milliarden Euro. Das sei mehr als der gesamte Haushalt der BA.

Was heißt das für Arbeitnehmer?

Geplant ist auch, die Beratung rund um das Thema Weiterbildung durch die BA auszuweiten. Sie soll sich nicht nur an Arbeitslose richten oder an jene, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind, sondern an alle Arbeitnehmer. Sie sollen abklären können, welchen Qualifizierungsbedarf sie haben und welche Optionen.

Von dem Gesetz profitieren sollen zudem Arbeitnehmer, die nur projektweise angestellt sind und dazwischen immer wieder Phasen der Arbeitslosigkeit haben. Sie sollen leichter Zugang zum Arbeitslosengeld I haben. Bislang musste man innerhalb von zwei Jahren zwölf Monate lang in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben, um diese Leistung zu bekommen; in Zukunft reichen zwölf Monate in zweieinhalb Jahren.

Was kostet das Gesetzespaket?

Laut Entwurf werden die Ausweitung der Arbeitsförderung und der erleichterte Zugang zum Arbeitslosengeld I die BA - und damit die Beitragszahler, also alle sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer und ihre Arbeitgeber - mittelfristig etwa 1,1 Milliarden Euro im Jahr kosten. Los geht es 2019 mit 680 Millionen Euro, danach wird mit steigenden Kosten gerechnet. Allerdings werden die Beitragszahler auch entlastet, durch die Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung um dauerhaft 0,4 Prozentpunkte und um weitere 0,1 Prozentpunkte bis Ende 2022. Für die BA bedeutet das dauerhaft um bis zu 5,1 Milliarden Euro geringere Einnahmen jährlich, bis Ende 2022 kommen 1,2 Milliarden Euro hinzu.

Was sagt die Wirtschaft?

Heils Vorschläge seien "in ihrer Zielsetzung richtig", sagte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. Allerdings verwies er auf die geplante Nationale Weiterbildungsstrategie, die Union und SPD sich eigentlich vorgenommen haben. Was Heil vorhabe, müsse darin eingebettet werden. "Schließlich ist die BA nicht der einzige und bei Weitem auch nicht der wichtigste Akteur auf diesem Feld." Außerdem warnen die Arbeitgeber vor Mitnahme- und Verdrängungseffekten und davor, dass das Geld "mit der Gießkanne" verteilt werden könnte. Lieber wäre es ihnen deshalb, die BA würde sich mit ihren Angeboten auf Geringqualifizierte, Ältere und Mitarbeiter in mittelständischen Unternehmen mit höchstens 2000 Beschäftigten konzentrieren.

© SZ vom 20.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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