Unterbrechungen im Arbeitsalltag:Jetzt nicht!

Lesezeit: 2 min

Und plötzlich streikt auch noch der Computer. Viele Arbeitnehmer sind im Job mit Unterbrechungen aller Art konfrontiert. Der Zwang zum Multitasking kann auf Dauer krank machen - doch es gibt Maßnahmen, das Stresslevel zu reduzieren.

Das Telefon klingelt, die Kollegin winkt, eine dringende E-Mail muss beantwortet werden. Dabei war es doch gerade endlich gelungen, eine wichtige Aufgabe in Angriff zu nehmen. Durch Ablenkungen bei der Arbeit kann ein guter Gedanke einfach verloren gehen. Das wusste bereits Albert Einstein, in dessen Haus es kein Telefon gab. Wer ihn erreichen wollte, musste beim Nachbarn anrufen und die Nachricht an ihn übermitteln lassen.

Für viele Arbeitnehmer sind Unterbrechungen im Job zu einer psychischen Belastung geworden, sagt Markus Schulte von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua). Er beruft sich dabei auf den "Stressreport" der Baua. Danach muss fast jeder zweite Angestellte seine Arbeit oft unterbrechen. 60 Prozent sind außerdem unter Druck, weil sie mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen. Für die Studie wurden die Angaben von fast 18.000 Arbeitnehmern ausgewertet.

E-Mails, Telefonate, streikende Technik

Zu den typischen Arbeitsunterbrechungen gehören E-Mails, Telefonate, Gespräche mit Kollegen und streikende Technik, etwa ein nicht funktionierender Computer, erklärt Anja Baethge, Psychologin und Autorin mehrerer Studien zum Thema Arbeitsunterbrechungen. Wenn die Konzentration erst einmal dahin ist, hat das Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit. Die Folge sei, dass Fehler passieren oder Arbeitnehmer ihre Tagesziele nicht erreichen.

Hinzu kommt, dass die Belastung durch Unterbrechungen auf Dauer der Gesundheit schaden kann. "Das führt dazu, dass man in der Freizeit schlechter abschalten und sich erholen kann", warnt Thomas Rigotti, Professor für Arbeitspsychologie an der Universität Mainz. Wer häufig und anhaltend psychischen Belastungsfaktoren am Arbeitsplatz ausgesetzt ist, riskiere möglicherweise sogar ein Burnout-Syndrom, eine Depression oder Herzerkrankungen.

Doch nicht nur Unterbrechungen von außen belasten Berufstätige. Viele Angestellte praktizieren Multitasking und versuchen, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen, sagt Rigotti. Diese selbst gewählte Arbeitsstrategie sei keine gute Idee. Das menschliche Gehirn schafft es nicht, mehrere Aufgaben parallel zu erledigen. Stattdessen springt es permanent zwischen den verschiedenen Problemen hin und her. Das ist auf Dauer sehr anstrengend, Arbeitnehmer reagieren zunehmend gestresst und gereizt.

Viele Berufstätige wissen nicht, wie sie auftretenden Belastungen aktiv begegnen können. Doch es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die das Stresslevel am Arbeitsplatz reduzieren können.

Zunächst sollten Berufstätige sich darüber klar werden, welche Störungen sie am meisten stressen. Dann sollten sie sich Strategien überlegen, um in künftigen Situationen gewappnet zu sein. "Es empfiehlt sich, die Bearbeitung der Unterbrechungen hinauszuzögern", rät Baethge. Wenn es nicht gelingt, zuerst die ursprüngliche Aufgabe zu beenden, ist es sinnvoll, einen Notizzettel zu schreiben, auf dem der letzte Gedanke oder Arbeitsschritt notiert wird, um das Gedächtnis zu entlasten. Multitasking, also das gleichzeitige Bearbeiten der Unterbrechung und der unterbrochenen Aufgabe, sollte man am besten ganz vermeiden, so Baethge.

Regelmäßige Pausen

Wie Arbeitnehmer im Team mit Unterbrechungen umgehen möchten, sollten sie am besten regelmäßig mit den Kollegen besprechen. Gut sei etwa, Zeiten festzulegen, in denen sie grundsätzlich nur im Notfall gestört werden dürfen, rät Baethge.

Besonders wichtig sind regelmäßige Pausen, um Belastungen durch häufige Unterbrechungen besser auszuhalten. Ideal sind kurze Pausen, die über den gesamten Arbeitstag verteilt sind, empfiehlt Baethge. Bewährte Entspannungstechniken wie autogenes Training helfen beim Stressabbau. Informationen und Schulungen bieten die meisten Krankenkassen an. Auch der Betriebsarzt kann hier Hilfestellung geben.

Nach einem Arbeitstag voller Unterbrechungen ist es schließlich wichtig, sich am Feierabend gut zu erholen. So ist man den Belastungen am nächsten Tag eher gewachsen. Wer regelmäßig Sport treibt, sich Hobbys widmet und ausreichend schläft, erhöht seine seelische Widerstandsfähigkeit und damit auch Leistungsvermögen und Zufriedenheit im Job.

So gewappnet, kann jeder aktiv etwas dafür tun, auch stressige Situationen am Arbeitsplatz ohne Gesundheitsgefährdung zu überstehen. Wie Einstein ohne Telefon zu arbeiten, wird leider in den wenigsten Fällen möglich sein.

© SZ vom 14.12.2013/Jan Hinnerk Roloff/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Typologie der Kollegen
:"Wärst du so lieb?"

Sie laden einem Arbeit auf, brechen Praktikanten-Herzen und verwandeln das Büro in eine schmuddelige Studenten-WG. Welche Nervensägen einem im Job begegnen - und wie man am besten mit ihnen umgeht. Eine Typologie der Kollegen.

Von Johanna Bruckner und Zoe Frey

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: