Tipps für augenschonendes Arbeiten:"Mindestens 50 Zentimeter Abstand zum Bildschirm"

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Büroarbeiter haben ein erhöhtes Risiko für Kurzsichtigkeit. Neurobiologe Frank Schaeffel erklärt, woran das liegt - und warum Arbeitnehmer im Job öfter mal den Blick in die Ferne schweifen lassen sollten.

Von Johanna Bruckner

Wie verbreitet ist Kurzsichtigkeit in Deutschland? Und welche Faktoren begünstigen das Auftreten der Sehschwäche? Das wurde jetzt für Deutschland erstmals in einer großangelegten Studie von Forschern der Mainzer Augenklinik untersucht. Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Probanden mit Hochschulabschluss waren kurzsichtig, in der Gruppe ohne höhere formale Bildung war es nur jeder Vierte. Frank Schaeffel, Professor für Neurobiologie am Universitätsklinikum Tübingen und Experte für Myopie, erklärt die Zusammenhänge und gibt Tipps, um Kurzsichtigkeit vorzubeugen.

SZ.de: Herr Schaeffel, Bildung macht kurzsichtig - so könnte man das Ergebnis der Gutenberg-Gesundheitsstudie zusammenfassen.

Frank Schaeffel: Ja. Das fängt mit der sogenannten "Schulmyopie" an. Mit sechs Jahren ist fast niemand kurzsichtig - außer der Sehfehler ist komplett genetisch vorbestimmt -, in diesem Alter haben wir das absolute Minimum an Kurzsichtigkeit. In den ersten Schuljahren geht es dann los; die meisten Menschen fangen zwischen acht und 15 Jahren an, ihre Kurzsichtigkeit zu entwickeln. Doch woran liegt das? Die Forschung geht inzwischen von zwei Hauptfaktoren aus, die den Sehfehler vorantreiben: viel Naharbeit und geringe Helligkeit.

Naharbeit?

In der Schule, im Studium, aber auch später im Job hängen wir den Großteil unserer Zeit über Büchern oder Lesen auf einem Bildschirm. Meist mit einem Abstand von etwa 30 Zentimetern. Dazu kommen ungünstige Lichtverhältnisse: Die typische Bürobeleuchtung beträgt gerade einmal 500 Lux - das ist ein Vielfaches weniger als draußen, selbst an einem bedeckten Tag. Auf Dauer verzeiht das unser Auge nicht, denn es ist evolutionsbiologisch auf ein Leben im Freien angelegt.

Wie verändert sich das Auge?

Das Auge stimmt sich permanent auf seine Umgebung ab, es benutzt die Schärfe des Bildes auf der Netzhaut, um sein Wachstum zu steuern. Wenn man viel Naharbeit macht, besteht das Risiko, dass die Schärfenebene irgendwann hinter der Netzhaut liegt. Das treibt das Längenwachstum des Augapfels voran; Kurzsichtige haben meist einen zu langen Augapfel. Beim Thema Licht kommt außerdem das sogenannte "Glückshormon" Dopamin ins Spiel: Bei geringer Helligkeit wird in der Netzhaut zu wenig Dopamin erzeugt, das im Auge als Wachstumshemmer wirkt. Die Augen von kurzsichtigen Menschen haben sich, wenn man so will, perfekt auf die äußeren Umstände eingerichtet: Objekte in der Nähe werden ohne Akkomodation, also Anpassung, scharf gesehen - aber die Fernsicht ist verschwommen.

In Industrienationen ist bereits jeder dritte Mensch kurzsichtig, in manchen asiatischen Großstädten sind es sogar mehr als 90 Prozent; Tendenz steigend. Ist Kurzsichtigkeit eine neue Volkskrankheit?

Was man sagen kann: Kurzsichtigkeit geht ganz eindeutig einher mit Industrialisierung und Urbanisierung. In den USA beispielsweise hat sich die Myopie-Häufigkeit in einem Zeitraum von etwa 30 Jahren verdoppelt, von 25 Prozent im Jahr 1972 auf 41 Prozent im Jahr 2004.

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