Studie:Auf der Überholspur

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Reifeprüfung: In Deutschland machen immer mehr junge Menschen Abitur. Und die meisten von ihnen versuchen es mit einem Hochschulstudium. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Die Menschen in Deutschland erreichen immer höhere Bildungsabschlüsse. Jeder Dritte überflügelt den Vater, mehr als 40 Prozent überholen die Mutter. Die Zuwanderung wird den steten Bildungsaufstieg nun vorübergehend bremsen.

Von Jutta Pilgram

Es geht unablässig bergab. Über vier Generationen hinweg verspielen die Buddenbrooks sämtliche Errungenschaften ihrer Vorfahren. Den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Niedergang der Lübecker Kaufmannsfamilie beschreibt Thomas Mann in dem gleichnamigen Roman und liefert damit das Gegenmodell zu der Annahme, dass die meisten Kinder ihre Eltern irgendwann überholen. Wie sehr diese Annahme zumindest im Hinblick auf das Bildungsniveau zutrifft, zeigt eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW).

Demnach geht es stetig bergauf: Die Menschen in Deutschland erreichen immer höhere Bildungsabschlüsse. Fast ein Drittel der 35- bis 44-Jährigen überholt den Vater, mehr als 40 Prozent die Mutter. Dabei gibt es natürlich auch heute Absteiger: Etwa 21 Prozent bleiben hinter dem Bildungsstand des Vaters zurück, elf Prozent hinter dem der Mutter. Das muss keineswegs so dramatisch verlaufen wie bei den Buddenbrooks und ändert nichts an der Tatsache, dass unter dem Strich ein kontinuierlicher Bildungsaufstieg zu verzeichnen ist, wie die IW-Berechnungen auf Basis von Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) zeigen.

Der allgemeine Bildungsaufschwung hat drei Gründe: Erstens erwerben immer mehr junge Leute die Hochschulreife, die meisten von ihnen versuchen es mit einem Studium, viele bringen es zu Ende. Zweitens hat die Einführung des Bachelor- und Master-Systems dazu geführt, dass junge Leute schneller zu Akademikern werden und solche, die früher als Studienabbrecher endeten, heute oft zumindest mit einem Bachelor abschließen. Und drittens hat Deutschland laut IW durch Zuwanderer aus Europa zu Beginn des Jahrtausends viele junge Hochqualifizierte hinzugewonnen.

Die Zahlen belegen das: Betrachtet man alle Personen zwischen 25 und 64 Jahren, ist der Anteil der Menschen mit Hochschulabschluss in nur einem Jahrzehnt von gut 15 auf mehr als 20 Prozent gestiegen. Auch die Zahl der Meister, Techniker und Absolventen einer Fachschule nahm zu. Gleichzeitig sank der Anteil der Menschen ohne jeden berufsqualifizierenden Abschluss von mehr als 18 Prozent auf 16 Prozent.

Die Erhebung zeigt außerdem, wie eng ökonomischer Erfolg mit Bildung verknüpft ist. "Das Erreichen eines höheren Bildungsniveaus ist die beste Voraussetzung für ein besseres Einkommen", schreiben die Autoren der Studie. Um diesen Zusammenhang zu untersuchen, haben sie die Bevölkerung in fünf Einkommensklassen unterteilt. Zur untersten Einkommensklasse zählen fast ein Drittel der Personen ohne beruflichen Abschluss, aber lediglich gut sieben Prozent der Hochschulabsolventen. Dagegen findet sich in der obersten Einkommensklasse annähernd die Hälfte der Akademiker wieder.

Hier kommt der Begriff der Bildungsrendite ins Spiel. Sie gibt an, ob sich eine Investition in höhere Schul- und Studienabschlüsse auf Dauer finanziell auszahlt. Laut IW-Studie ist die Bildungsrendite in den letzten 15 Jahren leicht gestiegen - trotz der geschilderten Akademiker-Expansion. Es sei jedoch denkbar, so die Forscher, dass sich dieser positive Trend nicht weiter fortsetzen wird. Damit spielen sie auf den momentanen Mangel an Fachkräften mit einer beruflichen Ausbildung an.

Ein weiterer Faktor wird in den nächsten Jahren die Statistik verändern. Während sich noch 2009 mehr Menschen aus Deutschland verabschiedeten als zuzogen, erreichte die Zuwanderung 2015 mit weit über einer Million Migranten aus EU-Ländern und Flüchtlingen aus Krisengebieten den höchsten Wert in der Geschichte der Bundesrepublik. Vor allem die Flüchtlinge bringen oft wenig formale Qualifikationen mit. Das dürfte zunächst zu einer Verschlechterung der Bildungsstruktur in Deutschland führen, so die IW-Forscher. Falls jedoch den oft jungen Zuwanderern eine erfolgreiche Bildungskarriere gelingen sollte, würden sie in einigen Jahren ihre meist wenig gebildeten Eltern überholen. Sie wären dann die neuen Aufsteiger.

© SZ vom 18.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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