Schulmanagement:Ein Assessment-Center für Schulleiter

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Fachwissen allein reicht nicht: Professor Hans-Günter Rolff erklärt, was gute Schulleiter ausmacht und warum die Anforderungen an sie weiter steigen werden.

Johann Osel

Wie viel Eigenverantwortung sollten Schulen bei der Einstellung von Lehrern haben, können sie eigene Budgets verwalten? Wie weit dürfen sie sich von den Vorgaben der Kultusministerien lösen, an den Lehrplänen und Stundentafeln basteln, Profile entwickeln? Das Thema Schulautonomie ist in aller Munde: Kürzlich hat der Aktionsrat Bildung, dem unter anderem der frühere Pisa-Koordinator Professor Manfred Prenzel angehört, einen Ausbau der Autonomie gefordert. Zudem analysierte das Gremium die Schulgesetze der 16 Bundesländer auf die Möglichkeiten zur Selbständigkeit.

Um eine Schule zu leiten, braucht es mehr als Fachwissen. (Foto: Foto: dpa)

Begrenzte Rechte in Bayern

Entstanden ist eine differenzierte Landkarte: von NRW, wo Schulleiter mit nur wenig Ministeriumsabsprachen Personal und Sachmittel bewirtschaften und pädagogische Konzepte umsetzen können; bis hin zu Bayern, wo die Mitspracherechte noch begrenzt sind. Auch dort gibt es, wie in anderen Ländern, Pläne für mehr Autonomie.

Das wirft aber Probleme auf: Neben der Notwendigkeit, dass Schulleiter neue Kompetenzen brauchen, ist es die Angst vor sozialer Spaltung. Würde ein Junglehrer - ohne staatliche Zuteilung - die Dorf-Gesamtschule wählen, von der etwa Theater und Museen 100 Kilometer entfernt sind, oder den Speckgürtel einer Metropole? Die Antwort ist wohl klar.

Kein Geld für die Hauptschule

Damit korreliert das Problem der Budget-Verwaltung, die sich auch der Wirtschaft öffnen könnte: Ein Konzern würde sicher gern in ein Wirtschaftsgymnasium investieren, weniger in eine Problem-Hauptschule. Kurz: Treibt die Politik die Schulautonomie voran, muss sie zugleich Kontroll- und Ausgleichsinstrumente finden.

Wenn Schulleiter immer mehr Selbständigkeit erhalten, steigen auch die Ansprüche an sie. Damit Lehrer fit für den Chefsessel werden, können sie spezielle Angebote an Fortbildungen nutzen. Der Master-Studiengang Schulmanagement an der Technischen Universität (TU) Kaiserslautern ist einer der etabliertesten Kurse. Wissenschaftlicher Leiter ist der Dortmunder Bildungsforscher Professor Hans-Günter Rolff. Er beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Schulentwicklung, auch als Berater der Politik.

Auf den nächsten Seiten lesen Sie das Interview mit Hans-Günter Rolff.

SZ: Was bedeutet eigentlich Schulmanagement, was lernen die Studenten?

Hans-Günter Rolff: Wir versuchen, die grundlegenden Kompetenzen zu vermitteln, die man für die Leitung einer Schule benötigt. Das sind die drei Säulen Führung, Management und Steuerung. Dazu gehört die Personalfindung, der Umgang mit Budgets und die strategische Ausrichtung im Rahmen der Schulentwicklung - alles Entscheidungen, die im Zuge autonomer werdender Schulen zu treffen sind. Die Zielgruppe dafür sind einerseits Neulinge aus der mittleren Ebene, etwa Stufenleiter, die sich für höhere Aufgaben interessieren; andererseits auch gestandene Schulleiter, die sich upgraden wollen, weil so unglaublich viel hinzugekommen ist an neuen Aufgaben.

SZ: Und wie sieht diese Fortbildung dann in der Praxis aus?

Rolff: Schulmanagement an der TU Kaiserslautern ist ein berufsbegleitendes Fernstudium mit praktischen Übungen in Präsenzphasen, schließlich sollen die Teilnehmer nicht aus ihrem Beruf herausgerissen werden. Die Materialien, die Schulentwicklungsexperten aus dem ganzen deutschsprachigen Europa gestaltet haben, müssen die Studierenden durcharbeiten, auch in Übungsaufgaben. Ein Beispiel für eine solche Aufgabe wäre: Sie haben an ihrer Schule eine Steuergruppe gebildet, aber es ist ein Stinkstiefel dabei, der gegen alle Vorschläge rebelliert. Wie gehen Sie vor?

SZ: Und die Lösung dieses Problems?

Rolff: Die lässt sich schlecht mit einem klaren So oder so beantworten. In der freien Wirtschaft würde der Kollege vielleicht eine Abmahnung bekommen, in einem weiteren Schritt wohl rausgeworfen werden. Für Schulleiter gilt es, einen Führungsstil zu entwickeln, der auf das System Schule passt. Wir sind aber nicht gelagert wie Management-Gurus, die feste Denkmuster predigen wie ein Missionar, sondern gehen die Sache pluralistisch an. Jeder Teilnehmer muss seinen eigenen Weg der Führung finden, den er für den besten hält. Viele haben selbst schlechte Erfahrungen mit Schulleitern gemacht und sind gerade deshalb an Innovation interessiert.

SZ: Welche persönlichen Voraussetzungen bringen die Studierenden neben den fachlichen mit?

Rolff: Gerade die nicht-fachlichen Kompetenzen von Schulleitern sind in der Praxis oft ein Problem. Führung hat grundsätzlich erst mal mit Personen zu tun, auch mit Widerstand von Untergebenen. Wer anderen bei einem Gespräch nicht in die Augen schauen kann, sollte keine Schule führen dürfen. Sich mit Leuten konstruktiv auseinandersetzen, frei reden, Konflikten nicht ausweichen - das kann nicht jeder. Man muss Verantwortung verteilen können und zugleich in der Lage sein, sie wieder unter seiner eigenen Führung zu bündeln. Man muss berücksichtigen, dass Lehrer häufig überlastet sind, dass es Burn-out gibt. Hier ist eine Mischung aus Fordern und Entlasten gefragt. Meiner Ansicht nach sollte es für werdende Schulleiter eine Art Assessment-Center geben, um zu sehen, wer wirklich das Zeug zum Schulleiter hat. So etwas gibt es bisher nur in Nordrhein-Westfalen.

SZ: Wie sieht dann der ideale Schulleiter der Zukunft aus?

Rolff: Auf Dauer ist es unumgänglich, dass Schulleiter Management-Kompetenzen haben. Der ideale Schulleiter weiß, was er will, er hat die Vision einer besseren Schule, die letztlich darauf ausgerichtet ist, die Lernchancen der Schüler zu verbessern. Der Zusammenhang zwischen der Kompetenz der Schulleitung und der Unterrichtsqualität wurde auch immer wieder wissenschaftlich nachgewiesen. Seine Vision drückt der ideale Schulleiter aber nicht im Alleingang durch, sondern erarbeitet sie mit dem Kollegium zusammen. Er verteilt Aufgaben und unterstützt Initiativen, schafft aber auch Verbindlichkeiten durch klare Ziele. Und er beeinflusst letztlich die Begeisterung der Pädagogen für ihren Beruf durch positive Anreize.

SZ: Sehen Sie denn in der Breite überhaupt die Bereitschaft von Schulen, eigenständig zu handeln und nicht mehr nach der Ministeriumspfeife zu tanzen?

Rolff: Leider nein, gerade deshalb brauchen wir gute Schulleiter mit entsprechenden Kompetenzen. Die internationale Entwicklung ist hier viel weiter, von Neuseeland bis in die Schweiz. Wir haben in Deutschland eine sehr gute Spitze, das sieht man bei den Schul-Auszeichnungen, da sind wahre Schätze mit dabei. Aber in der Breite herrschen teils große Defizite vor, auch in der Motivation zur Weiterentwicklung. Das wird sich ändern müssen, wenn der Autonomiegedanke weiter voranschreitet. Immer mehr Kultusministerien setzen inzwischen auf Spielräume für die Schulen, bei der Lehrerauswahl, der Budgetplanung oder dem Schulprofil.

SZ: Wo liegt hier die Grenze?

Rolff: Es muss natürlich Rahmenvorgaben geben. In den gerade genannten Bereichen sollte aber Flexibilität möglich sein. Zum Beispiel, indem die Schule Personal- und Sachmittel aufeinander abstimmen kann. Sie verzichtet vielleicht auf den Kauf eines bestimmten Gegenstandes und holt sich dafür Personen von außen in die Schule, für zusätzliche Angebote an die Schüler. Beim Inhalt sollte es ein vorgegebenes Kerncurriculum geben und zusätzliche Schwerpunkte, die die Schulen eigenständig füllen. Aber hier findet ja ohnehin gerade ein Umbruch in der Bildungslandschaft statt, weg von reinen Stoffen, hin zur Orientierung an Kompetenzen und Bildungsstandards.

SZ: Steigt bei wachsender Autonomie nicht die Gefahr einer Kluft? Schulen in attraktiven Gegenden picken sich die besten Lehrer heraus, andere fallen zurück.

Rolff: Das könnte nur dann passieren, wenn es überhaupt keine Rahmenbedingungen mehr gäbe. Schulen in dörflichen Gebieten könnten dann in der Tat Gefahr laufen, im Wettbewerb um Lehrkräfte auszudünnen. Doch andererseits bietet Autonomie gerade hier neue Möglichkeiten: Beim Gehalt lässt sich zwar nichts machen, aber man kann Arbeitsplätze attraktiver gestalten. Ein Beispiel aus Hamburg: Dort hat ein Gymnasium durch Umbaumaßnahmen jedem Lehrer einen eigenen Arbeitsplatz geschaffen.

© SZ vom 17.5.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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