Niedriglöhne und Motivation:Geld ist nicht alles

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Schlechtbezahltes Sicherheitspersonal wird nachlässig, heißt es nach der Sicherheitspanne am Münchner Flughafen. Aber wer wenig verdient, arbeitet deshalb nicht automatisch schlecht.

Marc Beise

Die Reaktion kam so schnell wie der Speichel bei den berühmten Pawlow'schen Hunden. Diese speicheln im Experiment auch ohne Futter, wenn man ihnen dieses zuvor oft genug hingehalten hat. Die Kritiker von Niedriglöhnen wussten schon Stunden nach der spektakulären Sicherheitspanne am Münchner Flughafen, dass die Nachlässigkeit des Personals auch auf dessen miese Bezahlung zurückzuführen sei.

Geld allein genügt nicht, um Mitarbeiter zu motivieren. (Foto: Foto: dpa)

Mehr Sicherheit für mehr Geld

Wer unter Tarif verdiene, so geht die entsprechende Beweisführung, sei natürlich nicht motiviert und lasse dann eben auch mal einen verdächtigen Passagier leichtfertig entwischen. Der Umkehrschluss scheint dann so zwingend wie einfach umzusetzen: Wer mehr Sicherheit an den Flughäfen will, der muss mehr zahlen; am besten verzichtet der Staat ganz auf das Engagement ausbeuterischer Privatfirmen und schützt wieder in eigener Regie.

Wer aber so argumentiert, irrt in mehrfacher Hinsicht. So gibt es zahlreiche Untersuchungen zur Frage der Motivation am Arbeitsplatz, nach denen Geld viel ist, aber nicht alles. Als vorrangiger Motivationsfaktor wird häufig die Zufriedenheit mit dem Job und der eigenen Leistung genannt, das Verhältnis zum direkten Vorgesetzten, der Abwechslungsreichtum der Tätigkeit - während die finanzielle Vergütung erst auf einem späteren Platz kommt.

Keine Unterschiede

In Frankfurt übrigens ist der Flughafenbetreiber Fraport, der einen Teil des Sicherheitspersonals in eine deutlich schlechter vergütende Tochter ausgegliedert hat, den ewigen Klagen über die Diskrepanzen bei Servicequalität und Zuverlässigkeit nachgegangen. Die Prüfer kamen zu dem eindeutigen Ergebnis: Es gibt keine Unterschiede bei der Tätigkeit beider Gruppen. Auch im betrieblichen Alltag lässt sich beobachten, dass die Höhe von Gehältern bei vergleichbaren Jobs nicht notwendigerweise eine Aussage über Motivation und Pflichterfüllung ist. Manchmal erweisen sich sogar die Benachteiligten als leistungsbereiter als andere, die bei guter Bezahlung in Ehren erstarrt sind.

Das alles ist kein Plädoyer für Niedriglöhne, für deren Existenz es viele Gründe gibt, unter anderem wirtschaftliche Zwänge. Es zeigt aber immerhin, dass die einfache Gleichung "mehr Geld = bessere Arbeit" fragwürdig ist. Im Übrigen schadet, wer so denkt, den Inhabern der entsprechenden Billigjobs. Sie sind gleich doppelt gekniffen: Nicht nur werden sie schlechter bezahlt als andere, sondern ihnen wird auch schlechtere Leistung unterstellt. Das haben sie ganz sicher am allerwenigsten verdient.

© SZ vom 23.01.2010/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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