Neuer Werbespot:Mit 64 Karrierestart bei McDonald's

Lesezeit: 3 min

Die 68-jährige Helga Schleinitz arbeitet bei McDonald's, weil sie das Geld braucht - aus Dankbarkeit wirbt sie jetzt für ihren Arbeitgeber.

Sibylle Haas

Davon hätte Helga Schleinitz vor wenigen Jahren nicht zu träumen gewagt: dass sie einmal in einem Fernseh-Spot auftreten wird. Jetzt tritt die 68-Jährige für McDonald's in der Werbung auf. Sie erzählt in dem Spot von ihrer Arbeit dort und warum für sie das Schnellrestaurant ein guter Arbeitgeber ist. Schleinitz und zwei weitere Mitarbeiter hat McDonald's speziell für den Werbefilm herausgesucht - unter 200 Mitarbeitern, die sich auch für diesen Auftritt beworben hatten.

McDonald's will sein Image aufpolieren

McDonald's will durch die Kampagne attraktiv erscheinen. Der Konzern hat nach wie vor ein mieses Image als Arbeitgeber. In der öffentlichen Wahrnehmung hat sich nicht so viel geändert, seit der Journalist Günter Wallraff vor 25 Jahren nach einem Selbstversuch die Arbeitsbedingungen anprangerte. Von schlechter Bezahlung, von Schufterei in den Küchen, von rüdem Umgangston ist immer noch die Rede.

Für die Fast-Food-Kette ist Helga Schleinitz deshalb ein Glücksfall. Sie scheint beseelt zu sein von ihrem Job. Er sei sehr wichtig für sie: "Ich lebe zum ersten Mal wirklich selbstbestimmt", erklärt die 68-Jährige. "Mein Mann hatte mein Leben fest im Griff". Der gestandene Außendienst-Manager war 21 Jahre älter als seine Frau, nahm ihr alle Entscheidungen ab. "Ich habe die Kinder großgezogen und mich um das Haus gekümmert. Mein Mann erledigte alles andere", erzählt sie.

Sie hat alles für ihn getan

Fast vierzig Jahre war Helga Schleinitz mit ihrem Mann Hermann verheiratet, siebzehn Jahre ihrer Ehe pflegte sie ihn daheim, weil er an der Parkinson-Krankheit litt. Sie habe alles für ihn getan - "mit viel Liebe".

Jetzt erledigt sie bei McDonald's "mit viel Freude jede Arbeit", wie sie immer wieder betont. "Ich mache alles", sagt sie, "ich bin mir für nichts zu schade". Helga Schleinitz ist Crew-Mitarbeiterin. Sie sitzt an der Kasse, räumt Geschirr ab oder putzt - für 7,50 Euro in der Stunde. Das sieht der Tarifvertrag für ihre Arbeit vor, den der Bundesverband der Systemgastronomie (BdS) und die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) abgeschlossen haben und den McDonald's anwendet. "Das ist seit langem mein erstes selbst verdientes Geld", betont Helga Schleinitz stolz. Und wie es sich für eine gute Fürsprecherin gehört, fügt sie brav hinzu: "Ich bekomme auch Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und vermögenswirksame Leistungen".

Haus weg oder Job her

Früher hatte Helga Schleinitz kein eigenes Konto, bekam Haushaltsgeld von ihrem Mann, wie sie erzählt. So wie viele Frauen ihrer Generation. Als sie ihren neuen Job antrat, war es fast ein halbes Jahrhundert her, dass sie zuletzt ein eigenes, kleines Einkommen hatte. Damals arbeitete die gelernte Hotelkauffrau in einem Hotel in ihrem Heimatort Emmendingen bei Freiburg. Dort lernte sie auch ihren späteren Mann kennen. "Es war Liebe auf den ersten Blick", sagt sie strahlend. Die Hochzeit war vier Monate später, Helga Schleinitz zog mit ihrem Mann nach Karlsruhe und es begann für die Frau eine "sorglose Zeit", wie sie selbst sagt.

Als ihr Mann starb, war Schleinitz 63 Jahre alt. Es kam zum Erbschaftsstreit, über den sie in der Zeitung aber nichts lesen will. Doch dadurch und wegen der kleineren Rente nach dem Tod ihres Mannes wurde es finanziell eng für sie. "Ich hatte zwei Möglichkeiten. Entweder ich verkaufe das Haus oder ich suche mir eine Arbeit", sagt sie. Sie entschied sich fürs Arbeiten. Zunächst jobbte sie bei einer Spielothek an der Kasse, fand aber keine richtige Freude daran. "Das war nichts für mich. Die Kunden gefielen mir nicht", sagt sie.

Vom Fleck weg engagiert

In der Zeitung stieß sie auf eine Stellenanzeige von McDonald's. Das Restaurant am Karlsruher Hauptbahnhof suchte Mitarbeiter. Helga Schleinitz war schon 64 Jahre alt. "Da dachte ich, wenn ich mich jetzt schriftlich bewerbe, stellen sie mich in meinem Alter doch nicht ein." Sie sprach deshalb direkt vor, fragte sich durch bis zur Chefin Marion Götte, die das Geschäft als Franchise-Nehmerin führt.

Götte, die selbst schon bald Mitte 50 ist, engagierte Helga Schleinitz nahezu vom Fleck weg. "Wir verstanden uns auf Anhieb", sagt Schleinitz heute dazu. Vielleicht lag es auch daran, dass Schleinitz anbot, "jede Arbeit" zu verrichten. Ihr Dienst beginnt um fünf Uhr in der Früh. Sie hat einen Teilzeitvertrag über 20 Stunden, kann aber mehr arbeiten, wenn es ihre Chefin wirtschaftlich für nötig hält.

Lilos Highlight

Seit vier Jahren nun ist Helga Schleinitz "Mädchen für alles" und die "Oma" im Team, denn der Altersdurchschnitt bei McDonald's liegt bei 30 bis 35 Jahren. Ihre Freunde lädt sie ab und an zum Essen bei der Fast-Food-Kette ein. Am Anfang seien diese entsetzt gewesen, als sie von dem neuen Job der über 60-Jährigen hörten. "Verkauf das Haus und lebe dein Leben", habe ihr die beste Freundin Lilo geraten, die in diesem Jahr 80 Jahre alt wird. Inzwischen ist Schleinitz' Job im Freundeskreis aber akzeptiert. Beim Werbespot-"Casting" in München, im Hauptsitz von McDonald's Deutschland, war Freundin Lilo sogar dabei. "Das war für die Lilo ein echtes Highlight", sagt Helga Schleinitz und lacht.

© SZ vom 05.03.2010/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: