Noch vor dem ersten Gespräch ist der Job verloren. Die Bewerbungsunterlagen liegen auf dem Tisch, ein kurzer Blick des Personalers auf das Anschreiben, und der Kandidat ist aussortiert. Das Problem: Da war ein Fleck. Personaler nutzen vor allem formale Kriterien bei der Sichtung von Bewerbungsunterlagen. Übersichtlichkeit, Tippfehler oder eben Flecken sind ihnen genau so wichtig wie die Berufserfahrung eines Kandidaten. Bis zu 90 Prozent der Personaler legen Wert auf solche Kriterien. Nur sagen diese so gut wie nichts über die fachliche Eignung eines Bewerbers aus - so wie viele andere Instrumente und Techniken, nach denen Kandidaten für eine Stelle ausgesucht werden.
Uwe Kanning ist Wirtschaftspsychologe an der Hochschule Osnabrück, er hat den Umgang mit Bewerbungsmappen in Personalabteilungen untersucht. Flecken sind für ihn kein sinnvolles Ausschlusskriterium: "Hier sollte man sehr liberal sein. Zu viele Bewerber werden vorschnell aussortiert." Das sei ein Fehler, der sich nicht mehr ändern lasse. Denn wer schon bei der Sichtung der Unterlagen aussortiert wird, erhält keine Chance, sich persönlich zu präsentieren, um den Fehler wettzumachen.
Ein weiteres beliebtes Kriterium bei der Sichtung der Unterlagen sind Lücken im Lebenslauf. Mehr als 84 Prozent der Personaler berücksichtigen diese bei ihren Entscheidungen. Doch diese Vorgehensweise entpuppt sich als nutzlos für die Auswahl von guten Bewerbern. Obwohl viele Entscheider davon überzeugt sind: Nur in sehr speziellen Fällen verraten Lücken im Lebenslauf etwas über die Persönlichkeit der Kandidaten.
Viele Personalabteilungen fallen auf unseriöse Testverfahren herein
Kannings Untersuchungen zeigen, dass Menschen, die eine Ausbildung abgebrochen haben, zwar tendenziell weniger gewissenhaft sind und jene Bewerber weniger extrovertiert sind, die wegen ihrer Kindern eine längere Pause eingelegt haben. Aber als pauschales Ausschlusskriterium können Biografien mit Lücken nicht verwendet werden. Ihre Aussagekraft ist in den meisten Fällen einfach zu gering. Über die tatsächlichen Gründe für Lücken kann oft nur spekuliert werden. Noch dazu rät ein Großteil der Ratgeberliteratur, holprige Lebensläufe in der Bewerbung zu glätten. Die Suche nach den wenigen aussagekräftigen Gründen für Biografiebrüche wird dadurch unmöglich.
Bei der Besetzung von Stellen sind Unternehmen sehr kreativ - und schießen dabei oft über das Ziel hinaus. Mit allen Mitteln wollen sie die begabtesten, belastbarsten und teamfähigsten Kandidaten filtern. Einer wissenschaftlichen Überprüfung halten vieler dieser Methoden jedoch nicht stand. Den späteren Berufserfolg können nur die wenigsten zuverlässig prognostizieren. Viele Personalabteilungen fallen auf das Marketing von Unternehmensberatern herein, die unseriöse Testverfahren für die Bewertung der Kandidaten anbieten. Einzelne nutzen gar Mittel an der Grenze zur Esoterik.
"Die am häufigsten eingesetzten Verfahren haben die geringste Aussagekraft"
Viktor Lau kennt die Arbeitsweise der Personalabteilungen. Er berät Unternehmen in Mitarbeiterfragen und war in der Vergangenheit unter anderem für die Personalentwicklung verschiedener Banken tätig. Viele Methoden seien ungeeignet, um den besten Kandidaten zu finden, sagt Lau: "Wir wissen, dass die am häufigsten eingesetzten Verfahren, die geringste Aussagekraft haben." Dazu zähle auch das klassische Bewerbungsgespräch. In Studien zeigt sich, dass der spätere Erfolg der ausgesuchten Kandidaten damit nur sehr schlecht vorausgesagt werden kann.
Deutlich besser schneiden standardisierte Einstellungsinterviews ab. Hier wird vorab bestimmt, welche Eigenschaften ein Kandidat haben soll. Allen werden die selben Fragen gestellt, die Antworten werden einheitlich erfasst und vergleichbar festgehalten. Das übliche Bewerbungsgespräch verläuft hingegen ohne feste Struktur ab und ähnelt mehr einem lockeren Gespräch.