Hochschule St. Gallen:Kritischer Forscher gerügt

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"Nestbeschmutzer": Mit seinen kritischen Äußerungen über die Haltung der Schweiz im Streit um das Bankgeheimnis hat ein deutscher Professor von der Hochschule St. Gallen für Wirbel gesorgt.

T. Kirchner

Die deutsch-schweizerischen Hakeleien um Bankgeheimnis und Steuerpolitik setzen sich im Hochschulbereich fort. Mit kritischen Äußerungen über die Haltung der Schweiz in dem Streit hat ein deutscher Professor von der Hochschule St. Gallen (HSG) erheblichen Wirbel ausgelöst. Nachdem zunächst seine Entlassung im Raum stand, ist der Wissenschaftler nun mit einer heftigen Rüge seitens der Universität davongekommen.

Ulrich Thielemann, stellvertretender Direktor des Instituts für Wirtschaftsethik, an der Hochschule St. Gallen. (Foto: Foto: oh)

Ulrich Thielemann, stellvertretender Direktor des Instituts für Wirtschaftsethik, hatte vor knapp zwei Wochen als Experte bei einem Hearing des Bundestages zum Thema Steueroasen gesprochen. Dabei sagte er, nur der internationale Druck habe die Schweiz beim Bankgeheimnis einlenken lassen. Zu dessen Rechtfertigung zirkulierten "gänzlich abenteuerliche Argumente" in der Schweiz, die "keinerlei Unrechtsbewusstsein" habe.

In St. Gallen löste der Auftritt des Professors Entrüstung aus. In wütenden Leserbriefen wurde Thielemann als "Nestbeschmutzer" bezeichnet. Ein emeritierter HSG-Professor verlangte die Entlassung Thielemanns, ein Parlamentarier sah das Ansehen der Hochschule beschädigt. Anfang dieser Woche sprach auch HSG-Rektor Ernst Mohr, ebenfalls Deutscher, von einem "groben Fehler" Thielemanns. Es falle ihm schwer, den Dozenten zu verteidigen. Eine Entlassung wolle er nicht ausschließen.

"Der Rektor hat sich hinter den Professor zu stellen"

Inzwischen hat die Hochschule offiziell Stellung genommen. Sie distanzierte sich von Thielemanns Aussagen. Professoren dürften wie alle ihre Meinung sagen, aber Thielemann habe mit seinem Auftritt in Berlin das "richtige Augenmaß" vermissen lassen. Da ihm aber über die kritisierten Passagen hinaus keine weiteren schweren Verfehlungen vorzuwerfen seien, werde von "weiteren Maßnahmen" abgesehen.

Die Stellungnahme könnte sich als beispielhaft für den Umgang einer Universität mit heiklen Äußerungen von Dozenten erweisen und den nicht unumstrittenen Rektor Mohr in Erklärungsnot bringen. Auf die Frage, gegen welche Regeln Thielemann konkret verstoßen habe, nannte Mohr der SZ die "Loyalitätspflicht", die im Hochschulgesetz erwähnt werde.

Die große Mehrheit der Schweizer Medien, aber auch HSG-Kollegen haben sich mit Thielemann solidarisch erklärt. Selbst wenn er vielleicht Unpassendes gesagt habe, müsse er das dürfen. "Der Rektor hat sich hinter den Professor zu stellen", sagte ein hochrangiger Ordinarius der SZ. Auch Thielemanns Chef Peter Ulrich kritisierte die Reaktion der HSG als "einseitig". Thielemann selbst wollte sich nicht äußern.

© SZ vom 11.04.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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