Headhunter bei der Arbeit:Harmonie im Haifischbecken

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Verschwörerische Verschwiegenheit: Sie sucht den perfekten Kandidaten für eine freie Stelle und agiert vor allem im Geheimen. Zu Besuch bei einer Headhunterin.

Jutta Pilgram

Headhunter? Das Wort gefällt Nadja Fiedler nicht. "Das klingt irgendwie aggressiv", sagt sie. "Als würden wir gewaltsam Mitarbeiter abwerben. Dabei suchen wir Leute, die offen sind für einen Wechsel." Nach einer wilden Jagd sieht es tatsächlich nicht aus, was Nadja Fiedler in ihrem Büro macht. Sie sitzt am Schreibtisch, das Headset auf dem Kopf, und ist die Ruhe selbst. Sie wählt eine Nummer, stellt sich vor, fragt sich durch. "Passt es gerade?" Ihre Umgangsformen am Telefon sind so perfekt wie ihr dunkelblauer Hosenanzug.

Für Headhunter ist das ganze Arbeitsleben eine Win-Win-Situation. (Foto: Foto: iStock)

Nadja Fiedler ist Personalberaterin bei der Münchner Consulting-Firma Erber-Ludwig. Die weitläufige Altbauwohnung in Nymphenburg, in der sechs Berater arbeiten, erinnert auf den ersten Blick eher an eine elegante Arztpraxis als an das Revier von Kopfjägern. Helles Licht, glatte Flächen, aufmunternde Kunst an den Wänden, freundliche Menschen. Auch Nadja Fiedler ist die Freundlichkeit in Person. Sie will eine angenehme Atmosphäre schaffen. Denn Argwohn und Missverständnisse sind ein Störfaktor in ihrem Geschäft.

Und Missverständnisse gibt es viele. Auf der einen Seite ist da das Misstrauen des Kandidaten, der sich fragt: Was weiß der Headhunter über mich? Und woher hat er meine Nummer? Sucht der Kandidat tatsächlich eine neue Aufgabe, hat er Bedenken, sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen oder die Kontrolle über vertrauliche Daten zu verlieren. Auf der anderen Seite ist da die Sorge der Firmen, der Headhunter werbe bei der nächsten Gelegenheit ihre besten Leute ab.

Dabei soll eigentlich alles ganz entspannt zugehen. "Es gibt nicht den guten oder den schlechten Kandidaten - nur das optimale Matching", sagt Fiedler. Dieser Idealzustand, die passgenaue Paarung, ist ihr Ziel. Wenn man ihr eine Weile zuhört, hat man den Eindruck, als bestünde die Welt aus wunderbaren Möglichkeiten. Als gebe es immer noch weitere Aufstiegschancen und passendere Posten. Als sei die Arbeitswelt nicht ein Haifischbecken gestresster und frustrierter Ehrgeizlinge, sondern eine einzige Win-Win-Situation. Arbeitslose gibt es in dieser Welt nicht, auch keine Leute, die im falschen Beruf gelandet sind, völlige Fehlbesetzungen, aus dem Ruder gelaufene Karrieren, gescheiterte Existenzen.

Anonyme, kostenlose Karriereberatung

"Wir suchen Manager der mittleren und oberen Ebene", sagt Fiedler. "Das sind in der Regel Leute, die nicht aktiv suchen, aber durchaus Interesse an einer Veränderung haben. Gerade in engen Märkten und in der oberen Ebene ist eine offizielle Bewerbung tabu - auch, um die weitere Karriere nicht zu gefährden, falls die Bewerbung keinen Erfolg hat." Für diese Leute sei der Kontakt zum Headhunter eine anonyme, kostenlose Karriereberatung, die sie entspannt entgegennehmen könnten.

Inzwischen hat sie den richtigen Ansprechpartner am Telefon. "Wir suchen für unseren Kunden, einen Hersteller von Messtechnikgeräten, einen Sales Manager für Europa", sagt sie. Den Namen der Firma nennt sie beim Erstkontakt grundsätzlich nicht. Manager seien solche Anrufe gewohnt, sagt sie, "ab einem gewissen Level" reagierten sie fast durchweg souverän und freundlich. Und sie wüssten, dass misstrauisches Bohren in diesem Moment nicht weiterführe.

"Hier liegt nichts herum."

Diskretion ist das oberste Gebot in der Personalberatung. Deshalb ist das Büro von Nadja Fiedler auch so aufgeräumt. Ein großer, leerer Schreibtisch mit drei Stapeln Papier, fein säuberlich in Mappen sortiert. Ein Telefon, ein Computer, ein paar Zettel. "Hier liegt nichts herum, schließlich arbeiten wir mit vertraulichen Daten." Wenn die Putzfrau am Abend kommt, wandern alle Mappen in den Schrank. Oder in die Datenbank. Wie viele Kontakte dort lagern, ist streng geheim. Denn die Kontakte sind das Herzstück der Headhunterei.

Doch wie kommt man an Kontakte? Und woher weiß Fiedler, welcher Kandidat zu der offenen Stelle bei einem Agrarunternehmen oder in der Halbleitertechnik passen könnte? Sie ist 32 Jahre alt und hat Psychologie studiert, Schwerpunkt Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie, nicht gerade die gründlichste Vorbereitung auf die Halbleiterphysik. "Ich muss kein Techniker sein", sagt sie. "Aber ich muss den jeweiligen Markt verstehen. Ich muss Hersteller, Produkte, Strategien, Vertriebskanäle und Unternehmensphilosophie kennen und beurteilen können, ob jemand in der Aufgabe erfolgreich sein kann."

Manche Kontakte sind Selbstläufer

Auf der Suche nach dem perfekten Kandidaten spricht sie mit Dutzenden von Managern, "da lernt man deren Arbeitsalltag kennen und verstehen." Außerdem werde jeder Prozess bei Erber-Ludwig von einem Senior Berater begleitet, der aus der jeweiligen Branche komme und zehn oder 20 Jahre Berufserfahrung habe. Manche Kontakte sind auch Selbstläufer: "Die Kandidaten von heute sind oft die Klienten von morgen."

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Mit dem Klienten fängt ohnehin alles an. Das Unternehmen mit der vakanten Stelle kommt auf den Personalberater zu und zahlt am Ende auch sein Honorar - in der Regel 20 bis 35 Prozent des Jahresbrutto eines vermittelten Kandidaten. Fiedler ist keine Jobvermittlerin für Menschen, die eine neue Aufgabe suchen. "Das ist ein verbreitetes Missverständnis", sagt sie. "Unser Kunde ist das Unternehmen." Jobsuchende kann sie in die Datenbank aufnehmen, und manchmal passen sie sogar zu einem aktuellen Projekt, "doch das ist eher die Ausnahme".

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Wichtig: die persönlichen Kontakte

Für die Firma entwickelt sie zunächst eine Positionsbeschreibung. "Da setzt unsere Beraterfunktion ein", sagt Fiedler. "Weil wir den Markt so gut kennen, sind wir oft realistischer in der Einschätzung des vorhandenen Potentials." Die Headhunterin telefoniert, forscht im Internet, durchkämmt Messe-Seiten oder sucht Vorträge, die jemand gehalten hat. Ob sie dabei Xing oder andere Business-Netzwerke nutzt, will sie nicht sagen. Das verunsichere die Unternehmen nur. Sie fragten sich dann: Warum hat sich mein Mitarbeiter da angemeldet? Viel wichtiger für ihre Arbeit sei die Pflege langjähriger persönlicher Kontakte.

Zeigt der Kandidat Interesse, wird ein erstes Gespräch vereinbart. Es findet entweder im Nymphenburger Büro statt oder an einem neutralen Ort. Das kann ein Flughafen sein oder ein Hotel, und manchmal sind dabei Vorkehrungen notwendig, die an konspirative Treffen erinnern. Es wäre zum Beispiel fatal, wenn der Kandidat in der Hotellobby seinem Chef über den Weg liefe oder zufällig im selben Flieger säße wie ein Kollege. Auch das ist der Job der Headhunterin: Flüge buchen, Manager am Bahnhof abholen, Meetings mit einem gewissen Abstand organisieren, sodass ein Kandidat bei der Ankunft nicht dem anderen begegnet. "Damit entlasten wir alle Beteiligten."

Angenehm, optimal, happy

Wenn Fiedler spricht, fallen oft Wörter wie angenehm, optimal, happy. Ihr Lieblingswort ist partnerschaftlich. "Wir reflektieren partnerschaftlich, ob der Job eine interessante Perspektive für den Kandidaten sein könnte", sagt sie. "Denn wir sind Berater für beide Seiten - und beiden Seiten zu absoluter Loyalität verpflichtet." Wenn der Manager nach dem ersten Treffen keine Zusage gibt, bleiben seine Daten unter Verschluss. "Unser Klient wird nie erfahren, dass ein Kontakt überhaupt stattgefunden hat", sagt die Beraterin. Ein großer Teil ihrer Arbeit spielt sich also im Verborgenen ab. Am Ende legt sie dem Auftraggeber das Ergebnis ihrer Suche vor: in der Regel zwei oder drei Kandidatenprofile. "Wir produzieren keine Masse."

Und wenn sie den Eindruck hat, der Kandidat passt nicht zur Position? Auch das versucht sie einvernehmlich zu klären. Sie analysiert gemeinsam mit ihm seinen Werdegang und Arbeitsalltag. "Ich hake nach, wie er mit bestimmten Erlebnissen oder Einschnitten umgegangen ist, was ihn antreibt, was ihn weniger reizt." Und dann spiegelt sie ihm ihre Bedenken. Unangemessen fände sie, wenn dabei eine Prüfungssituation entstünde. "Am schwierigsten ist es, wenn Leute meinen, mir etwas vorspielen zu müssen", sagt sie, "das hinterlässt immer ein negatives Gefühl. Außerdem fällt es leichter, das Matching zu beurteilen, wenn jemand authentisch ist."

Man muss mit Missverständnissen leben können

Die richtige Balance zwischen Offenheit und Diskretion ist die Basis ihres Berufs - und zugleich ein ständiges Problem. Das schlechte Image der Branche rühre daher, dass manchen unseriösen Headhuntern diese Balance nicht gelinge. Einerseits wirbt ein Headhunter um Vertrauen und bemüht sich bewusst um Offenheit. Andererseits darf er die entscheidenden Informationen über einen langen Zeitraum nicht weitergeben. Auch Fiedler weiß genau, wann sie wen über welchen Schritt informiert, nichts passiert hier planlos und unkontrolliert. Ein Talent zur Besonnenheit braucht man in diesem Job. Und man muss mit Missverständnissen leben können.

Trotz aller Missverständnisse und Imageprobleme: Nadja Fiedler liebt ihren Beruf. "Es gibt keinen anderen Job, in dem man so viel lernt über Produkte, Themen, Strukturen", sagt sie, "und vor allem so tief erfährt, wie sich das alles für Menschen in Märkten anfühlt."

© SZ vom 28.11.2009/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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