Gehaltsunterschiede zwischen den Geschlechtern:Wie Frauen demotiviert werden

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Sie verdienen meist weniger als Männer. Aber das liegt an der ungleichen Teilhabe am Erwerbsleben, nicht an der Bezahlung.

Ein Gastbeitrag von Gerd Riedmeier

Am 21. März war "Equal Pay Day", der "Tag der Lohngleichheit" und er wurde wie jedes Jahr mit großem medialen Getöse begangen. Die zu übermittelnde Botschaft: Frauen verdienen um 22 Prozent weniger als Männer - und diese Ungleichheit gilt es zu überwinden. Die überwiegende Mehrheit der Einwohner der Bundesrepublik stimmt diesem Ziel zu und will es unterstützen. Frauen und Männer positionieren sich zu Recht gegen vorhandene Ungerechtigkeiten. Dabei werden in der Präsentation des Themas Fehler gemacht; sie können mittelfristig dazu führen, das Thema zu diskreditieren.

Der sogenannte unbereinigte gender pay gap wird von Destatis, dem Statistischen Bundesamt, korrekt berechnet - als Vergleich ungleicher Tätigkeiten. Es werden Brutto-Monatsverdienste von Männern und Frauen verschiedener Berufe addiert und miteinander verglichen. Das Ergebnis sind die bekannten 22 Prozent Lohnunterschied.

Führen wir uns vor Augen, dass dabei beispielsweise die Einkünfte von Fluglotsen (mehrheitlich von Männern ausgeübt) mit Einkünften von Friseurinnen (mehrheitlich von Frauen ausgeübt) verglichen werden, so verwundert, dass diese "Einkommenslücke" als so niedrig erscheint. Weiter fließen in die Berechnung Teilzeittätigkeiten (mehrheitlich von Frauen ausgeübt) mit ein, auch atypische Beschäftigungen, die 450-Euro-Jobs (mehrheitlich von Frauen ausgeübt). Was gänzlich fehlt, sind die unbezahlten Überstunden (mehrheitlich von Männern geleistet), in der Regel durch übertarifliche Bezahlung abgegolten. Leistet ein Mann also an vier Tagen pro Woche jeweils eine unbezahlte Überstunde, so wird der gender pay gap bereits um zehn Prozent verfälscht (bei 40 Wochenstunden).

Wofür steht also der gender pay gap?

Die Erhebungsgrundlage sind lediglich 32 000 Betriebe mit ihren Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen. Der gesamte öffentliche Dienst wird nicht berücksichtigt, ebenso wenig die Beschäftigten im Sozialversicherungswesen und anderen Bereichen. Dieses Manko relativiert die gemachten Aussagen zum Verdienstvergleich deutlich.

Wofür steht also der gender pay gap? Er steht nicht für eine Aussage über gleiche Bezahlung für gleiche Tätigkeiten - und nicht für Frauendiskriminierung. Er ist eine Aussage über die ungleiche Teilhabe der Geschlechter am Erwerbsleben. So arbeitet mehr als jede zweite erwerbstätige Frau weniger als 32 Stunden pro Woche. Unter den Männern beträgt dieser Anteil zehn Prozent. Jede dritte Frau - 5,5 Millionen - ist in einem atypischen Job tätig, also befristet beschäftigt, in kleiner Teilzeit, in einem Minijob oder in Leiharbeit. Bei den Männern ist es nur jeder siebte.

Der Unterschied im Bruttoverdienst zwischen Männern und Frauen beginnt im Alter von etwa 30 Jahren und nimmt dann deutlich zu. Das entspricht dem Alter, in dem Frauen in Deutschland statistisch ihr erstes Kind bekommen. Und damit beginnen die Benachteiligungen. Diese gründen auf dem Fehlen von Einrichtungen zur Kinderbetreuung, vor allem flächendeckender und qualifizierter Nachmittagsbetreuung an Grund- und weiterführenden Schulen. So werden Frauen gezwungen, familienbedingt mehrjährige Erwerbsunterbrechungen hinzunehmen. Viele Frauen kehren nicht mehr in die Berufe zurück, für die sie zuvor so hervorragend ausgebildet wurden. Daneben wirken staatliche Fehlanreize wie Ehegattensplitting und die Möglichkeit zur kostenlosen Mitversicherung der Frau beim allein verdienenden Ehemann.

Studie des Allensbach-Instituts
:Gefühlte Gleichberechtigung

Dass Männer und Frauen in der Bundesrepublik weitgehend gleichberechtigt sind, denkt einer aktuellen Umfrage zufolge nur ein Drittel der Deutschen. Vor allem die Frauen sehen mehr Handlungsbedarf als in den vergangenen Jahren. Daraus zu schließen, dass die Lage sich verschlimmert, wäre aber falsch.

Von Felicitas Kock

Frauen gewinnen so zwangsläufig nicht in dem Maße an Berufserfahrung wie ihre Kollegen und kommen so in geringerem Maße in den Genuss von Beförderungen und beruflichem Aufstieg. Die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen verwundert daher nicht. Dieses Phänomen jedoch ausschließlich mit dem Etikett "Gläserne Decke" zu beschreiben, lenkt von den eigentlichen Ursachen ab.

Weshalb "verkaufen" viele politischen Protagonistinnen die erwähnten 22 Prozent Minderverdienst als "ungleiche Bezahlung" für gleiche Tätigkeit? Jeder weiß, dass in Deutschland Tarifverträge und BAT-Verträge (öffentlicher Dienst) für beide Geschlechter gleich gelten. Krankenschwester und Krankenpfleger bekommen für die gleiche Tätigkeit den gleichen Verdienst bezahlt. Ein Flugkapitän hat das gleiche Einkommen wie eine Flugkapitänin. Auch Mindestlöhne sind für beide Geschlechter gleich formuliert. Seit den 80erJahren des vergangenen Jahrhunderts ist kein Gerichtsverfahren mehr anhängig wegen ungleicher Bezahlung aufgrund des Geschlechts.

Politiker und Politikerinnen möchten im politischen Wahlbetrieb Stimmen gewinnen, von der Mehrheit der Wähler - den Frauen. Da erscheint es wohl als opportun, sie als Benachteiligte zu präsentieren. Frauen haben heute in Deutschland die gleichen Rechte wie Männer. Sie sind in der Regel ebenso oder besser ausgebildet als Männer. Die gesellschaftliche Organisation von Erwerbs- und Familienleben entspricht jedoch dem Stand aus den 50er-Jahren. Eine Opferrolle zu beschwören, erscheint manchen vordergründig als verlockender als - mit erheblichem finanziellem Aufwand - nötige gesellschaftliche Reformen anzustoßen.

Suggerierte Position von Schwäche

Das offensive Propagieren von vermeintlicher und unhinterfragter Entgelt-Ungleichheit schadet den Frauen in Deutschland. Es suggeriert ihnen eine Position von Schwäche, die es so nicht gibt und nimmt ihnen so möglicherweise den Mut, sich in den Unternehmen für ihre Karriere zu engagieren. Wertiger und zielführender erscheint eine Förderung des Selbstbewusstseins von Frauen, auch für den Arbeitsmarkt. Andere Länder sind uns da voraus, so die Politik zur Förderung von "self-esteem" für Frauen in den angelsächsischen Ländern.

Damit erscheinen die Überlegungen zur Verabschiedung eines Entgeltgleichheitsgesetzes - wie im Koalitionsvertrag der großen Koalition niedergeschrieben - als nicht zielführend. Damit würden den Unternehmen weitere bürokratische Lasten auferlegt, aber es würde nur an Symptomen laboriert; an der Höhe des gender pay gaps würde sich nichts ändern - wie auch?

Gerd Riedmeier ist Vorsitzender des Forums Soziale Inklusion e.V., einer unabhängigen Nichtregierungsorganisation, die sich mit modernen geschlechter- und familienpolitischen Ansätzen beschäftigt.

© SZ vom 24.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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