Frage an den SZ-Jobcoach:Was tun mit einem dürftigen Lebenslauf?

Manfred B. droht eine betriebsbedingte Kündigung. Nach 25 Jahren in der gleichen Firma fällt sein Lebenslauf allerdings sehr spärlich aus. Wie kann er sich trotzdem erfolgreich um einen neuen Job bewerben?

SZ-Leser Manfred B. fragt:

Ich bin 45 Jahre und warte auf die betriebsbedingte Kündigung, weil meine Firma geschlossen wird. Ich habe dort fast 25 Jahre gearbeitet und sogar meine Ausbildung absolviert. Bisher habe ich mich dort sehr wohlgefühlt und nicht im Traum daran gedacht, mir noch einmal einen anderen Job zu suchen. Mein Lebenslauf wird daher sehr spärlich ausfallen. Ich habe keine Arbeitszeugnisse, nur ein Zwischenzeugnis, das die Personalabteilung jetzt als Rundumschlag an alle verteilt hat und das nichts über mich und die letzten Jahre aussagt. Schulzeugnisse und Kaufmannsgehilfenbrief sind bei einem Umzug abhandengekommen. Wie kann ich mich effektiv bewerben?

Vincent Zeylmans antwortet:

Lieber Herr B., Sie befürchten, dass Ihr Lebenslauf spärlich ausfallen wird. Dabei schauen Sie auf 25 Jahre reichhaltige Berufserfahrung zurück. Sie fragen, wie Sie sich effektiv bewerben können? Ihre erste Aufgabe liegt in der Bestandsaufnahme. Führen Sie folgende Punkte auf:

Fachkompetenz: Welche spezifischen Fachkenntnisse haben Sie in den vergangenen 25 Jahren erworben?

Persönliche Kompetenz: Welche Fähigkeiten haben Sie sich angeeignet? Können Sie überzeugen, verhandeln, präsentieren, organisieren, planen, Projekte managen oder Strategien entwickeln?

Führungskompetenz: Ist sie relevant für den Job, den Sie anstreben?

EDV-Kompetenz: Beherrschen Sie beispielsweise SAP, Office, Word, Excel, Access, ERP- oder Buchführungssysteme?

Sozialkompetenz: Sind Sie entscheidungsfreudig, empathisch, kommunikationsstark, durchsetzungsfähig?

bewerbung

Wie muss ein Bewerbungsschreiben aussehen? | Darf ich im Lebenslauf schummeln? | Was gilt es im Vorstellungsgespräch zu beachten? | Wie läuft ein Assessmentcenter ab? Der Bewerbungs-Ratgeber von SZ.de gibt Tipps.

Ergänzen Sie diese Aufzählung nun noch durch Ihre Leistungen und Erfolge. Was ist Ihnen besonders gut gelungen in den vergangenen Jahren? Und warum? Sie erwähnen nicht, in welcher Funktion Sie gearbeitet haben. Waren Ihre Ergebnisse messbar? Haben Sie im Verkauf die Umsätze gesteigert? Im Einkauf Einsparungen vorgenommen? Haben Sie im Lager die Produktivität erhöht? Oder waren Sie für qualitative Ergebnisse bekannt? Haben Sie Kundenprobleme in der Retouren-Abteilung gelöst? Oder waren Sie für Ihre Hilfsbereitschaft im Kundendienst bekannt? Mit einer solchen Auflistung haben Sie sich die perfekte Grundlage für das weitere Vorgehen erarbeitet.

Nun gilt es zu überlegen, welche Kompetenzen übertragbar sind. Natürlich können Sie "mehr vom Gleichen" machen und eine vergleichbare Position suchen wie bisher. Sie können aber auch andere Zielpositionen festlegen. Der Mitarbeiter Verkaufsinnendienst kann in den Vertrieb wechseln. Wer aus der Produktentwicklung kommt, hat sich möglicherweise Kompetenzen für das Produktmarketing erworben. Es ist dabei weniger von Bedeutung, was Sie nachweisen können. Wichtiger ist, dass Sie Ihre Stärken kennen und wissen, was Sie von Ihren Mitbewerbern unterscheidet. Dieses dokumentieren Sie in einem Anschreiben und im Lebenslauf, den Sie gegebenenfalls noch mit einem Deckblatt und der zusätzlichen "dritten Seite" mit Ihren Leistungen und Erfolgen aus 25 Jahren ergänzen.

Der SZ-Experte

Der Autor und Coach Vincent Zeylmans war jahrelang Abteilungsleiter in internationalen Konzernen und kennt deren Rekrutierungspolitik aus der Praxis.

Schließlich sollten Sie überlegen, ob Sie nur auf ausgeschriebene Stellen reagieren. Sie können auch proaktiv den sogenannten verdeckten Arbeitsmarkt erschließen. Dann kontaktieren Sie entsprechende Arbeitgeber mit einer Initiativbewerbung. Sie hinterlegen Ihren Lebenslauf bei führenden Jobbörsen. Sie werden mit Ihrem Profil bei Business-Netzwerken von Unternehmen und Personalberatern gefunden. Oder Sie geben eine Stellensuchanzeige in einer Zeitung auf.

Haben Sie auch eine Frage zu Berufswahl, Bewerbung, Arbeitsrecht, Etikette oder Führungsstil? Schreiben Sie ein paar Zeilen an coaching@sueddeutsche.de. Unsere sechs Experten wählen einzelne Fragen aus und beantworten sie im Wechsel. Ihr Brief wird komplett anonymisiert.

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