Datenschutz und Arbeitsrecht:Wenn Firmen Bewerber bluten lassen

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Ärztliche Untersuchungen und neugierige Fragen nach dem Gesundheitszustand: Unternehmen halten sich bei Einstellungstests nicht immer an das, was erlaubt ist.

Daniela Kuhr

Ob ein Mensch gesund ist, interessiert nicht nur ihn selbst und seine Familie. Auch dem Arbeitgeber ist wichtig, ob seine Angestellten fit sind und die Leistungen erbringen können, für die er sie bezahlt. Aber dürfen Arbeitgeber Bewerber deshalb vor einer Einstellung ärztlich auf Herz und Nieren untersuchen lassen?

Der Autohersteller Daimler hat von Bewerbern eine Blutprobe verlangt. Darf ein Arbeitgeber das? (Foto: Foto: dpa)

Der Fall Daimler hat die Diskussion ins Rollen gebracht. Am Mittwoch war bekannt geworden, dass der Stuttgarter Autobauer Bewerber noch vor einer endgültigen Einstellung zum Werksarzt schickt, der unter anderem einen Bluttest macht. Die Bewerber hätten zu diesem Zeitpunkt in der Regel eine mündliche Zusage für ihren Job, sagte eine Sprecherin von Daimler. Die Zusage stehe aber unter dem Vorbehalt, dass der Werksarzt die Bewerber für geeignet halte. Datenschützer und Arbeitsrechtler halten das Vorgehen für höchst problematisch. Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wie üblich sind solche Untersuchungen vor einer Einstellung?

Laut Daimler sind die Tests "nichts Ungewöhnliches". Doch eine stichprobenhafte Nachfrage bei mehreren großen Unternehmen ergab etwas anderes. Weder bei Siemens noch bei BMW oder Audi werden Bluttests verlangt. Zwar ist Daimler längst nicht das einzige Unternehmen, das Bewerber vor einer endgültigen Einstellung zum Betriebsarzt schickt, doch werden in anderen Firmen in aller Regel nur harmlose Untersuchungen vorgenommen, wie beispielsweise ein Sehtest. Einen Überblick, in welchen Unternehmen was üblich ist, hat man allerdings nicht einmal beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Generell gilt wohl: Früher verlangten Arbeitgeber häufiger als heute eine ärztliche Untersuchung. Je mehr das Thema Datenschutz ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückte, umso mehr Unternehmen verzichteten auf solche Tests.

Darf der Arbeitgeber überhaupt eine ärztliche Untersuchung verlangen?

Bei manchen Jobs ist eine ärztliche Untersuchung sogar gesetzlich vorgeschrieben. So müssen beispielsweise Personen, die in der Produktion von Lebensmitteln oder in Küchen beschäftigt werden, eine Bescheinigung des Gesundheitsamts oder eines Arztes vorlegen, dass sie keine infektiösen Krankheiten haben. Auch Menschen, die bei ihrer Arbeit einer gewissen Strahlenbelastung ausgesetzt sind, müssen sich ärztlich untersuchen lassen.

Von solchen Ausnahmefällen abgesehen, gilt jedoch: "Der Arbeitgeber darf nur testen, was für die Leistungserbringung für den fraglichen Beruf von Entscheidung ist", sagt Frank Achilles, Arbeitsrechtsexperte bei der Kanzlei Heisse Kursawe Eversheds in München. Ein HIV-Test gehöre hierzu grundsätzlich nicht. Etwas anderes gelte nur gegebenenfalls bei medizinischem Personal. "Es geht also um allgemeine körperliche Fitness und Eignung für die fragliche Stelle", sagt Achilles. Die Tests dürften jedoch nicht dazu führen, dass der Arbeitgeber versuche, sein allgemeines Unternehmerrisiko auszumerzen, einen krankheitsanfälligen Mitarbeiter zu beschäftigen.

Sind Bluttests überhaupt zulässig?

Im Gegensatz zu harmlosen Seh- oder Fitnesstests gewährt ein Bluttest intimste Einblicke in die Gesundheit eines Menschen. Er kann Aufschluss über eine Diabetes-Erkrankung geben, über den Cholesterin-Spiegel, erhöhte Leberwerte oder eine HIV-Infektion. "Arbeitgeber, die Bluttests verlangen, müssen sich die Frage gefallen lassen, was sie eigentlich damit herausfinden wollen", sagt Martina Perreng, Arbeitsrechtsexpertin beim DGB. "Bloß weil jemand erhöhte Leberwerte hat oder HIV-infiziert ist, heißt das ja nicht, dass er seine Arbeit nicht gut macht." Ihrer Ansicht nach sind Bluttests deshalb generell nicht erlaubt. Im Übrigen seien nicht nur Gesundheitstests, sondern auch Fragen nach dem Gesundheitszustand nur zulässig, wenn sie für die konkrete Arbeit benötigt würden.

Was ist mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers?

Sie ist eine Nebenpflicht, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergibt. Bei Daimler behauptet man, die Bluttests seien schon allein deshalb erforderlich. Doch nach Ansicht von Perreng erfüllt der Arbeitgeber die Fürsorgepflicht am besten, indem er den Arbeitsplatz so gestaltet, dass keine Gesundheitsgefahren für den Arbeitnehmer entstehen. "Die Fürsorgepflicht erstreckt sich keinesfalls darauf, Krankheiten aufzudecken, die dem Arbeitnehmer bislang entgangen sind oder die er für sich behalten möchte", sagt die Juristin. Ein an Diabetes erkrankter Arbeitnehmer etwa habe das Recht, selbst zu entscheiden, ob er um Rücksichtnahme bittet oder nicht. "Das muss nicht der Arbeitgeber für ihn beschließen."

Können Bewerber sich weigern?

Genau hier liege das Problem, sagt Perreng. "Wer die Stelle haben will, wird sich im Zweifelsfall zu einer ärztlichen Untersuchung bereiterklären." Sie hofft jedoch, dass solche Fälle öffentlich gemacht werden, damit Arbeitgeber abgeschreckt werden. Ein möglicher Kompromiss sei, dass der Arbeitnehmer ein Attest seines Hausarztes vorlegt, meint Anwalt Achilles. In jedem Fall gilt jedoch: In der Personalakte haben Gesundheitsdaten nichts zu suchen. Der Betriebsarzt hat seine Akten getrennt zu führen.

© SZ vom 30.10.2009/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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