Bologna-Reform:Widerborstig bis zuletzt

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Studienreform hin oder her: Wenn es nach den Politikern geht, die einst für den Bachelor kämpften, sollen Medizin, Jura und Lehramt beim Staatsexamen bleiben. Dabei geht es auch anders.

Christine Burtscheidt

Die bayerische Justizministerin Beate Merk gibt sich gerne rebellisch, wenn es um die neuen internationalen Abschlüsse Bachelor und Master geht. "Fesseln" sind das für die CSU-Frau, "die unserer Rechtskultur großen Schaden zufügen werden". Seit Jahren führt sie gemeinsam mit dem deutschen Juristenfakultätentag das Lager der Reformgegner an.

Die klassischen Staatsexamenfächer haben sich bislang nicht auf die gestufte Studienstruktur umstellen lassen. (Foto: Foto: oh)

Während 75 Prozent aller Studienangebote bereits auf die gestufte Struktur umgestellt ist, bilden die klassischen Staatsexamensfächer den letzten Rückzugsort des Widerstands. Juristen, aber auch Mediziner zählen zu den größten Bedenkenträgern. Sie befürchten einen Qualitätsniedergang in der Ausbildung. Lediglich beim Lehramt bröckelt die Front. Bis auf das Saarland und Sachsen-Anhalt haben alle Länder Bachelor und Master eingeführt; aber auch nicht bis zur letzten Konsequenz. Denn nach wie vor mündet das Studium am Ende dann doch oft im Staatsexamen.

Ein wenig scheinheilig wirkt der Widerstand gegen die neuen Abschlüsse. Vor allem, wenn er von der Politik angeführt wird. Denn eben sie hat durch ihre Beschlüsse in Bologna einst auf höherer Ebene die Umstellung herbeigeführt. Davon abgesehen mag Merk die Qualität eines Jura-Studiums hochhalten, Professoren wie Wolfgang Herrmann, Präsident der Technischen Universität in München, zweifeln so lange daran, wie Studenten zum teuren Repetitor gehen, um das Staatsexamen zu bestehen.

Kritik gibt es auch am Medizinstudium.Julia Wuttke von der Bundesvertretung der Medizinstudierenden etwa beklagt, dass Neuerungen wie die Palliativmedizin zu zögerlich in das Studium integriert würden. Auch gebe es Hürden, innerhalb Deutschlands die Uni zu wechseln, was viele gerne täten, wenn sie ins Praktische Jahr kommen. Eine Neustrukturierung des Studiums wird deshalb von der Bundesvertretung befürwortet; obendrein ist sich Wuttke sicher: "Die Reform wird kommen, das ist langfristig nicht zu verhindern." Die Medizinstudenten haben sich deshalb für Probeläufe an fünf Fakultäten ausgesprochen. "Wir halten es nicht für sinnvoll, im Hauruck-Verfahren flächendeckend umzustellen, ohne sicher sein zu können, dass die neue Struktur auch taugt", sagt sie. Und in einem Punkt ist sich die Bundesvertretung mit der Politik einig, "einen Bachelor-Arzt darf es nicht geben".

Vorgaben werden zu eng ausgelegt

Die Kritik am Bachelor ist nicht unberechtigt. Der "Bologna"-Prozess gilt für viele Politiker und Professoren gerade wegen des ersten Abschlusses als gescheitert. Internationaler, kürzer, berufsorientierter sollte das Studium sein, doch ist dies offenbar nicht gelungen. Das hat verschiedene Gründe. Die erst zögerlich agierende Politik stellte für die Reform keine zusätzlichen Mittel bereit, sondern beließ es lediglich bei einigen wenigen Vorgaben; etwa einer Regelstudienzeit von fünf Jahren für Bachelor und Master sowie der Einführung eines neuen Prüfungssystems mit den ECTS-Punkten.

Die Hochschulen legten die Vorgaben wiederum oft zu eng oder falsch aus. Der Bachelor in sechs Semestern ist für viele Fakultäten ohne Qualitätsverluste nicht machbar. Immer mehr Disziplinen wie die Ingenieurwissenschaften haben deshalb den Master zum Regelabschluss erklärt.

Oft verfehlen die Bachelor-Angeobte ihr Ziel

Oft sind die Bachelor-Angebote auch zu spezialisiert und verfehlen das Ziel, Studenten für den Berufsmarkt zu qualifizieren. Obendrein wurde der Stoff vielfach verdichtet und durch das ECTS-Verfahren der Prüfungsdruck so erhöht, dass die Abbrecherquoten in manchen Fächern steigen. Nicht zuletzt aber bleibt kaum Zeit für ein Auslandssemester, sodass die studentische Mobilität in Europa sinkt.

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Organisationen wie der Hochschulverband fordern längst die Rolle rückwärts und eine Reform der Reform. Doch die meisten Politiker, wie etwa der bayerische Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP), bezweifeln, dass sich das Rad noch zurückdrehen lässt. Deshalb steht für den Zahnmediziner auch fest, dass die Staatsexamensfächer Bachelor und Master einführen müssen. "Wenn man Europa ernstnimmt, bleibt uns nichts anderes übrig."

"Kein Bedarf für neue Abschlüsse"

Noch sehen die Hochschulgesetze der Länder Ausnahmeregelungen vor, sodass den Staatsexamensfächern eine Schonfrist bleibt. Den Juristen gelang es sogar, im Koalitionsvertrag der großen Koalition 2005 den Vermerk "kein Bedarf für neue Abschlüsse zu erwirken." Doch der Reformdruck wächst. Denn das Ausland zeigt, dass es geht.

Länder wie die Schweiz haben bereits im Herbst 2007 auf die neuen Abschlüsse umgestellt, auch in der Medizin. Sechs Jahre dauert hier nun das Studium, drei bis zum Bachelor, nochmals drei bis zum Master. Demnächst werden die ersten Studenten ihren Bachelor ablegen. Einen Berufsabschluss haben sie damit nicht in der Tasche, es sei denn sie spezialisierten sich von Beginn an etwa auf ein Studium der Chiropraktik an der Uni Zürich. Einen "Mediziner light" wird es in der Schweiz nicht geben. Arzt ist erst, wer den Master gemacht, und Doktor, wer eine Promotion drangehängt hat.

Fronten geraten in Bewegung

Auch in Deutschland geraten die Fronten in Bewegung. An Universitäten wie Aachen, Berlin oder Köln laufen bereits Modellversuche in der Medizin. Zurzeit wird zudem an einem nationalen Lernzielkatalog gefeilt. Noch weiter sind die Juristen. Hier gibt es längst zwei staatliche Universitäten, Mannheim und Greifswald, die parallel zum Staatsexamen gestufte Studiengänge anbieten. Zudem einigten sich die Landesjustizminister auf ihrer Herbstkonferenz vor einem Jahr, "anhand unterschiedlicher Modelle Möglichkeiten und Konsequenzen der Bachelor-Master-Struktur" untersuchen zu lassen. 2011 wird der Bericht vorgelegt. Drei Länder haben sich bereits auf den Weg gemacht und Konzepte vorgelegt: Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hamburg.

So viel ist klar: Kommt die Umstellung, läuft es wie beim Lehramt wohl auf eine Kombination aus Staatsexamen und gestufter Struktur hinaus. Der Regelabschluss wird dann der Master, und die bayerische Justizministerin wird darauf achten, "dass die Qualität nicht verlorengeht".

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